Frage:

Wie fliegt ein Ball durch ein Raumschiff, das künstliche Schwerkraft erzeugt?

Antwort:

Das Prinzip eines Raumschiffs mit künstlicher Schwerkraft hat jeder schon einmal am eigenen Körper erfahren. Fährt man beispielsweise mit dem Auto um eine Kurve oder vergnügt sich auf dem Kettenkarussell, drückt die Fliehkraft nach außen. Dieselbe Kraft könnte auch im Weltraum ein Raumschiff mit künstlicher Schwerkraft versorgen. Das Raumschiff müsste dafür zylindrisch geformt sein wie eine Konservendose und sich ununterbrochen um seine eigene Längsachse drehen. Die Astronauten erfahren so eine Kraft, die immer nach außen wirkt. Der Mantel des Zylinders ist somit der „Boden“ dieser künstlichen Welt.

Wie sich nun ein Ball in dieser Umgebung bewegt bzw. wie wir diese Bewegung wahrnehmen, hängt maßgeblich davon ab, von wo wir das Geschehen beobachten. Denn Kräfte, die ein Astronaut im Innern des rotierenden Raumschiffs erfährt, treten von außen betrachtet eigentlich gar nicht auf. Physiker bezeichnen diese Kräfte als Trägheits- oder Scheinkräfte. Die Fliehkraft etwa, die scheinbar nach außen wirkt, gibt es gar nicht. Stattdessen muss die Raumschiffwand eine Kraft nach innen auf Gegenstände und Menschen ausüben, damit sie im Raumschiff auf der Kreisbahn bleiben. Nur die Astronauten nehmen diese Kraft in die entgegengesetzte Richtung, also nach außen, als Fliehkraft war.

Wie die Fliehkraft ist die Stärke dieser künstlichen Schwerkraft proportional zur Drehfrequenz und zum Radius des Raumschiffs. In einem Raumschiff etwa, das sich in zwei Minuten einmal um sich selbst dreht und das einen Durchmesser von 500 Metern hat, würden wir eine Beschleunigung von nur 0,685 m/s2 fühlen. Die Erdbeschleunigung, die wir täglich auf der Erde erfahren, beträgt 9,81 m/s2. Schon angenehmer wären die Verhältnisse in einem Raumschiff mit einem Durchmesser von fünf Kilometern. Dies wäre eine kleine Welt mit einer nahezu erdgleichen Beschleunigung von 6,85 m/s2 (siehe die Science-Fiction-Kurzgeschichte „Mutprobe in der Hensonröhre“ von William Jon Watkins)

Wir können unsere Drehfrequenz und damit unsere Zentrifugalkraft verringern, indem wir gegen die Rotationsrichtung der Raumschiffwand anlaufen. Diese teilweise Aufhebung ist der sogenannten Corioliskraft, einer weiteren Scheinkraft, zuverdanken. Anders als die Fliehkraft wirkt sie jedoch nur auf Gegenstände oder Astronauten, die sich innerhalb des Raumschiffs bewegen. Ihre Richtung steht dann senkrecht auf der Rotationsachse des Raumschiffs und dieser Bewegungsrichtung. Entscheidend ist, dass sie proportional zu dem Anteil der Geschwindigkeit ist, der senkrecht zur Rotationsachse ist. Wirft man einen Ball entlang der Rotationsachse des Raumschiffs so würde keine Zentrifugalkraft wirken, da bei einem Radius von 0 die Zentrifugalkraft ebenfalls 0 ist. Auch die Corioliskraft würde verschwinden, da die Geschwindigkeit des Balls parallel zur Rotationsachse verliefe.

Je nach Stärke dieser Corioliskraft kann es zu seltsamen Effekten bei jeder Art von Ballspiel auf der Raumschiffwand kommen.
Was passiert beispielsweise, wenn man auf der Raumschiffwand steht, einen Ball in Händen hält und ihn einfach loslässt. Von außen betrachtet hat der Ball durch die Rotation des Raumschiffs eine bestimmte Anfangsgeschwindigkeit tangential zu der momentanen Bewegungsrichtung. Diese Richtung und Geschwindigkeit behält er bei, bis er wieder gegen eine Raumschwiffwand prallt (die sich inzwischen weitergedreht hat). Aus Sicht des Astronauten, fällt der Ball deshalb in einer gekrümmten Kurve neben ihm zu Boden. Obwohl sich also der Ball, sobald er nicht mehr über den Astronauten mit der rotierenden Raumschiffwand verbunden ist, mit konstanter Geschwindigkeit in eine Richtung bewegt, entsteht für den Astronauten ein ganz anderer Eindruck: Der Ball fällt (fast wie auf der Erde) zurück zum Boden.

Zur Redakteursansicht