Abteilung Physik lebender Materie

Abteilung Physik lebender Materie

Unsere Abteilung widmet sich einer Bandbreite von theoretischen Forschungsfeldern, die das skalenübergreifende Verständnis der Dynamik von lebenden System aus physikalischer Sicht anstreben. Das Ziel ist, die komplexe Dynamik lebender Materie gut genug zu verstehen, um sie von Grund auf („bottom up“) nachzubauen, d.h. vom Molekül bis zum ganzen System. Die Forschungsthemen decken, verallgemeinert ausgedrückt, die vielskalige chemische und mechanische Nichtgleichgewichtsaktivität lebender Materie ab.

Sich gegenseitig ergänzende Forschungsstränge konzentrieren sich unter anderem auf die kollektiven Eigenschaften von Enzymen, die Nichtgleichgewichts- und osmotische Aktivität von Nanoporen und Kanälen, die Dynamik von Membranen und die Rolle räumlicher Begrenzung bei Enzymsuspensionen und Membrankanälen, chemische Signale und kollektive Chemotaxis, mechanische Signale und aktive Hydrodynamik von Zilien, Informationsfluss in aktiver Materie, und Homöostase und Stabilität lebender Systeme als zusammengesetzte Einheiten der vorgenannten Komponenten

Komplexität in biologischen Systemen wurde in den letzten zwei Jahrzehnten intensiv untersucht, meistens unter dem Aspekt des Informationsflusses durch abstrakte Strukturen, wie beispielsweise signalverarbeitende, metabolische und genregulatorische Netzwerke, sowie aus evolutionärer Sicht. In diesen systemischen Ansatz zum Verständnis der Organisation zellulärer Funktionen sind die physikalischen Aspekte der in der Zelle stattfindenden dynamischen Prozesse bisher wenig eingeflossen, darunter etwa wo und wann sie stattfinden und wie sie physikalisch organisiert und reguliert sind durch (physikalische, nicht genetische) Wechselwirkungen, Reaktionen, Diffusion, Transport und Selbstassemblierung.

Die Idee, biologische Systeme als Lebende Materie zu betrachten, lässt sich bis zu Erwin Schrödingers visionärem Buch „Was ist Leben?” aus dem Jahre 1944 zurückverfolgen. Auf der ersten Seite des ersten Kapitels schreibt er: „Die große, wichtige und heiß umstrittene Frage lautet: Wie lassen sich die Vorgänge in Raum und Zeit, welche innerhalb der räumlichen Begrenzung eines lebenden Organismus vor sich gehen, durch die Physik und die Chemie erklären?” In unserem Kontext könnten wir diese Frage auch so stellen: Nehmen wir an, wir könnten einen Beutel von Chemikalien zusammenstellen, so dass er alle Zutaten einer Zelle enthält. Wie können wir die Chemikalien in dem Beutel dazu bringen sich selbst zu einer lebenden Zelle zu organisieren? Obwohl die Frage schon vor mehr als einem halben Jahrhundert gestellt wurde, gab es bisher kaum Fortschritt in dieser Richtung. Vielleicht deshalb, weil die benötigten Grundlagen zum Studium der statistischen Physik des kollektiven Verhaltens von Nichtgleichgewichtssystemen der weichen Materie gerade erst entwickelt werden.

Die Vision der neu eingerichteten Abteilung Physik Lebender Materie ist, lebende Systeme als selbstorganisierte aktive weiche Materie zu untersuchen, die sich „gerade in der richtigen Art und Weise" nicht im Gleichgewicht befindet, und die komplexe Dynamik lebender Materie gut genug zu verstehen, um sie von Grund auf – vom Molekülen bis zum ganzen System – nachbauen zu können.

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