Frage:

Was bedeutet Entschlüsselung des Genoms?

Antwort:

Entschlüsselung? Das klingt so, als habe man nun den Schlüssel gefunden. Aber welche Tür lässt sich mit diesem Schlüssel öffnen? Wissenschaftler aus aller Welt hatten es sich zum Ziel erklärt, das menschliche Genom zu erforschen und bis zum Jahre 2010 zu entschlüsseln. Dieser wissenschaftliche Durchbruch war mit hohen Erwartungen verbunden wie etwa mit der Hoffnung auf neue Medikamente und Krebstherapien. Zu diesem Zweck wurde im Herbst 1990 das Humangenomprojekt (HGP), ein international angelegtes Forschungsprojekt, gegründet.

Aber woraus besteht unser menschliches Genom eigentlich? Das Genom, aufgebaut aus DNA, enthält alle vererbbaren Informationen des Lebens. Verblüffend dabei ist, wie simpel der Bauplan der Natur ausgefallen ist. In einer einzigen langen Kette werden alle wichtigen Informationen gespeichert. Diese Kette besteht aus einer Aneinanderreihung von lediglich vier verschiedenen Bausteinen, den DNA-Basen Cytosin (C), Guanin (G), Adenin (A) und Thymin (T). Das menschliche Genom enthält 3,2 Milliarden dieser „Buchstaben des Lebens“ und nur ihre Abfolge bestimmt, beispielsweise welche Augenfarbe wir haben oder welche Erbkrankheiten in uns schlummern. Und genau das ist den Wissenschaftlern also gelungen. Sie haben die Sequenz dieser Buchstaben des genetischen Alphabets  für unser Genom entschlüsselt. Allerdings bilden diese Buchstaben Wörter in einer uns noch fremden Sprache. Und nicht jeder Abschnitt der DNA verschlüsselt wertvolle Informationen. Es wird sogar angenommen, dass nur drei Prozent (immerhin noch neunzig Millionen) der Buchstaben Informationen wie zum Beispiel Bauanleitungen enthalten. Diese Abschnitte sind die so genannten Gene und enthalten Anleitungen für wichtige Bausteine des Lebens wie Proteine und Eiweiße. Ein großer Anteil der DNA ist nach heutigem Kenntnisstand jedoch ein evolutionäres Überbleibsel und besitzt keinerlei Aufgabe. Damit ist klar, dass die Tür zum Code des Lebens zwar aufgeschlossen wurde, jedoch verbergen sich dahinter unzählige neue Türen. Denn es genügt nicht, die Abschnitte herauszufiltern, die Informationen enthalten. Viele Gene, die in der Genomsequenz entdeckt wurden, waren bis dahin unbekannt. Es müssen also auch die mit ihnen verbundenen Wirkungen oder Aufgaben erforscht werden. Die Buchstabenabfolge allein hilft dabei nur bedingt. Derzeit beschäftigen sich viele Wissenschaftler in aller Welt damit, herauszufinden, welche Funktionen die neu entdeckten Gene besitzen. Erst dann können Rückschlüsse gezogen werden, welche Veränderung in der Reihenfolge der Buchstaben beispielsweise Auswirkungen auf die Entstehung von Krankheiten haben. Und nur so ist die Entwicklung neuer Medikamente möglich. Allerdings steht die Wissenschaft dann erneut vor einer schweren Aufgabe. Sind die Erbanlagen für eine Krankheit bekannt, ist beispielsweise eine frühzeitige Therapie möglich. Was passiert jedoch bei Krankheiten, für die es derzeit noch keine Therapiemöglichkeiten gibt? Möchte man tatsächlich darüber informiert werden, an welcher Erbkrankheit man möglicherweise erkrankt, ohne Aussicht auf Heilung? Jedoch werden auch diese Möglichkeiten nicht dazu führen, alle Krankheiten vorhersagen zu können. Man wird in der Lage sein, Erbanlagen zu erkennen. Die Umwelteinflüsse, die ebenfalls den Verlauf einer Krankheit beeinflussen, werden wohl auch in Zukunft nicht vorhersagbar sein. Im April 2003 erklärten die Wissenschaftler, dass die Entschlüsselung der menschlichen Erbsubstanz gelungen und abgeschlossen sei. Doch obwohl sich unsere Genome nur in 0,1 Prozent der Buchstaben voneinander unterscheiden, bleibt jeder Mensch einzigartig.

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