Frage:

Warum sind dreifarbige Katzen immer weiblich?

Antwort:

Haben Sie sich je gefragt, warum dreifarbig gescheckte Katzen immer weiblich sind? Oder vielleicht haben Sie sich gewundert, dass zwei Zellen mit identischem genetischen Material sich einerseits zu Nervenzellen im Gehirn entwickeln können, anderseits zu blutbildenden Stammzellen. Die Antwort auf beide Fragen ist die Epigenetik. 

Um Epigenetik zu verstehen, ist es wichtig, zunächst ein Grundverständnis von Genetik zu haben. Das genetische „Gerüst“ jedes Lebewesens ist in der DNA verschlüsselt, die aus vier verschiedenen Bausteinen, so genannten Basen, besteht. Diese Bausteine werden als A, T, G und C bezeichnet. Zudem besteht die DNA aus zwei Strängen. Dabei ist der eine Strang im Wesentlichen ein genaues Abbild des anderen. Dadurch kann unsere DNA verlässlich kopiert und so von einer Generation zur nächsten vererbt werden. Die Reihenfolge der As, Ts, Gs und Cs in unserem Genom ist sehr wichtig. Denn die Abfolge dieser Bausteine ist die Vorlage, nach der eine Zelle Proteine bauen kann. Dieses Herstellen von Proteinen entspricht dem „Auslesen“ der DNA. Einige Abweichungen von der „normalen“ DNA-Sequenz in unserem Genom können auftreten, ohne größere Probleme zu verursachen. Doch manche Abweichungen können uns für bestimmte Krankheiten empfänglicher machen. Ein Beispiel ist ein Gen mit Namen BRCA1. Eine winzige Veränderung nur eines Bausteins dieses Gens kann das Risiko einer Frau, an Brustkrebs zu erkranken, von zwölf auf 60 Prozent erhöhen.

Dennoch können viele andere Krankheiten oder physiologische Merkmale nicht mit Änderungen in der DNA-Sequenz erklärt werden. Stattdessen hat die Natur eine ausgefeilte Methode entwickelt zu bestimmen, wie und wann das Genom ausgelesen wird – und das kann schwerwiegende Konsequenzen haben. Ein Beispiel: Die DNA jeder unserer Zellen enthält im Grunde dieselbe Abfolge von As, Ts, Gs und Cs. In den Nervenzellen des Gehirns werden jedoch nur einige dieser Bausteine ausgelesen, in den blutbildenden Stammzellen andere. Wie ist das möglich? Auch hier ist die Antwort: Epigenetik.

Ein gut sichtbares Beispiel für Epigenetik sind dreifarbig gescheckte Katzen. Das Gen, das die Fellfarbe einer Katze bestimmt, befindet sich auf dem X-Chromosom. Anders als Männchen, die ein X- und ein Y-Chromosom haben, besitzen weibliche Tiere zwei X-Chromosomen – eines vom Vater und eines von der Mutter. Jedes X-Chromosom trägt deshalb ein Gen für Fellfarbe – und das ist eigentlich zu viel des Guten. Die Natur hat für dieses Problem deshalb eine epigenetische Lösung gefunden: Während der embryonalen Entwicklung eines weiblichen Tieres wird eines der X-Chromosomen ausgeschaltet. Dies kann in verschiedenen Bereichen des Körpers das mütterliche oder das väterliche X-Chromosom betreffen, so dass im Ergebnis in verschiedenen Teilen des Körpers verschiedene X-Chromosomen aktiv sein können. Hat eine Katze Eltern mit unterschiedlicher Fellfärbung, können deshalb die auffälligen Flecken auftreten. Bei Katern, die nur ein X-Chromosom haben, ist dies nicht möglich. In ähnlicher Weise können einige Gene der DNA fälschlicherweise ausgeschaltet werden und so etwa zur Entstehung von Krebs, neurodegenerativen Erkrankungen oder Nierenfibrose führen. Doch wie kann der Körper ein Chromosom oder Gen gezielt “ausschalten”, ohne dabei die DNA-Sequenz zu beeinflussen? Eine Methode besteht darin, an die Cs eines DNA-Abschnittes eine bestimme chemische Gruppe namens Methyl anzuhängen. Dadurch können diese Cs nicht mehr ausgelesen werden. Eine andere Methode hat damit zu tun, wie DNA „verpackt“ ist. Einige Teile der DNA sind so aufgerollt, dass sie dennoch gut zugänglich sind und leicht ausgelesen werden können, andere so dicht verpackt, dass dies unmöglich ist.  In den vergangenen Jahren wurden viel Zeit, Aufwand und Geld investiert, um die DNA von gesunden Zellen und Tumorzellen zu sequenzieren. Ein Ergebnis dieser Studien ist, dass Änderungen in der DNA wahrscheinlich häufig nicht alleine für Krebs verantwortlich sind. Stattdessen beruht ein Großteil der Veränderungen, welche das Auslesen der DNA betreffen und zu Krebs führen, auf epigenetischen Veränderungen. So weisen etwa neueste Studien darauf hin, dass Behandlungsmethoden, die bei epigenetischen Veränderungen ansetzen, gezielter wirken und effektiver sein können als herkömmliche Krebstherapien.  Um jedoch neuere und gezieltere Behandlungsmöglichkeiten für Krankheiten wie Krebs, Alzheimer und Nierenfibrose zu entwickeln, ist es nötig, die speziellen epigenetischen Veränderungen (und warum sie auftreten) besser zu verstehen.

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