Frage:

Woher kommt das Motiv des Gänseliesels?

Antwort:

Das Motiv des Gänseliesels ist Ergebnis eines von der Stadt im Jahre 1898 ausgeschriebenen Wettbewerbs. Der alte, noch aus dem 16. Jahrhundert stammende Marktbrunnen war baufällig und unansehnlich geworden und wurde seit langem als störende Beeinträchtigung des Marktbildes empfunden.
Die Ausschreibung hatte eine ungewöhnlich große Resonanz weit über Göttingen hinaus: Insgesamt 106 Architekten, Baumeister und Bildhauer forderten die Wettbewerbsunterlagen an und schließlich gingen 46 Entwürfe ein. Der Entwurf des „Gänsemädels“ von Heinrich Stöckhard und Paul Nisse aus Berlin erhielt den mit 400 Mark dotierten zweiten Preis. Den ersten Preis von 600 Mark erhielt ein Modell der Frankfurter Künstler Klaus Mehs und Hermann Jehs mit dem Motiv „Im Geiste der Alten“, einer allegorischen Darstellung der Kardinaltugenden Gerechtigkeit, Mäßigung, Tapferkeit, Weisheit.

Dem energischen Eintreten des renommierten Bildhauers Carl-Ferdinand Hartzer und seiner Überzeugungsarbeit zugunsten des „Gänsemädel"-Entwurfs war es dann zu verdanken, dass Magistrat und Bürgervorsteher schließlich den Auftrag an die zweitplazierten Bewerber Stöckhard und Nissen vergaben. Hartzer, der Schöpfer des Wöhler-Denkmals (Hospitalstraße / Wöhlerplatz) und des Gauss-Weber-Denkmals (Wallanlage / Bürgerstraße), hatte gegenüber dem „Comité zur Errichtung des Marktbrunnens" deutlich gemacht: „Zudem hat der 2. Entwurf in dem „Gänsemädchen" gerade für den Marktplatz mit seinem regen Verkehr ein so künstlerisch reizvolles Motiv wie ich es mir günstiger gar nicht denken kann. Das Figürchen ist höchst originell erfunden und wird gewiß, in Bronze ausgeführt, auf alle, auf die vom Lande Hereinkommenden wie auf dem Markt Einkaufenden durch den Humor und die Frische der Empfindung Eindruck machen.“

Seit den zwanziger Jahren bildete sich als feste Bezeichnung der Name „Gänseliesel" heraus, zusammen mit dem studentischen Brauch, dem Mädchen vor allem des Nachts mit Küssen aufzuwarten. Vergeblich versuchte die Stadt dies durch eine Polizeiverordnung als „groben Unfug" unter Strafe zu stellen. Ein Jurastudent aus der Familie Graf Henckel von Donnersmarck ließ es schließlich auf einen Prozess ankommen – und erlangte einen Freispruch, weil „das Besteigen des Brunnens in weit vorgerückter nächtlicher Stunde auf Grund studentischer Sitte erfolgt“ sei. Nach diesem Sieg über das „Kussverbot" durften schließlich die frischgebackenen Doktoren und Doktorinnen und Doktoren dem Göttinger Wahrzeichen auch am Tage mit Blumenstrauß und Kuss ihre Reverenz erweisen.

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