Frage:

Ist es wahr, dass Menschen nur 10 Prozent ihres Gehirns benutzen?

Antwort:

Diese Frage kann man schnell mit „Nein“ beantworten; es stimmt nicht. Man muss sich das Gehirn als ein kleines Orchester vorstellen, in dem es viele verschiedene Instrumente gibt. Die verschiedenen Instrumente stehen für die verschiedenen Zelltypen, die es im Gehirn gibt. Es gibt Zellen, die Signale für die Muskeln geben, damit wir laufen können. Es gibt Zellen, die unsere Sprache steuern, andere sorgen dafür, dass wir jeden Abend den Weg nach Hause finden. Es gibt aber auch Zellen, die für die Versorgung anderer Zellen zuständig sind. Sie gewährleisten, dass immer die richtige Mischung an Zutaten für deren Arbeit zur Verfügung steht. Die Mehrheit der Zellen im Gehirn sind Versorgerzellen, ohne die andere Zellen ihre Arbeit nicht verrichten könnten. Im Gehirn gibt es deshalb keine Arbeitslosigkeit – und bestimmt keine, die 90 Prozent beträgt! Welcher Gedanke gerade gedacht wird oder welche Bewegung ausgeführt wird, bestimmt, welche Zellen gerade besonders aktiv sind.

Genauso wie in einem Orchester sind die Zellen im Gehirn aber nicht alle gleichzeitig aktiv. Wer nach wem spielt, macht die Melodie aus, die gerade gespielt wird. Es gibt Krankheiten, bei denen die Reihenfolge der Zellaktivität manchmal oder für immer gestört ist. Ein Beispiel ist Epilepsie. Bei dieser Krankheit kommen bestimmt Zellen aus dem Takt. Sind plötzlich alle Zellen auf ein Mal besonders aktiv, dann ist die Melodie eines Gedankens oder einer Bewegung verschwunden und eine bewusste Kontrolle z.B. der Bewegung ist nicht mehr möglich. Die Präzision einer Bewegung oder der Inhalt eines gesprochenen Satzes hängt nicht davon ab, wie viele Zellen aktiv sind, sondern ob die richtige Melodie gespielt wird.

Gehirnaktivität kostet Energie, und zwar sehr, sehr viel. Obwohl das Gehirn nur etwa zwei Prozent des Körpergewichts ausmacht, verbraucht es mit etwa 20 Watt ungefähr 20 Prozent der Energie. Das ist zwar weniger, als handelsübliche Glühbirnen benötigen, aber extrem viel im Vergleich zu anderen Körperfunktionen. Jede Körperzelle muss Energie sparen. Das gilt ganz besonders für die Gehirnzellen, denn diese unterliegen einem noch größeren Energie-Sparzwang. Sie müssen ihre Aktivität so gering wie möglich halten und diese untereinander so koordinieren, dass sie zwar die Bewegung der Muskeln oder die Gedanken richtig auf- einander abstimmen, aber dabei auch so wenig Energie wie möglich verbrauchen. Nur so ist ihre Aktivität für den Körper immer noch „bezahlbar“. Man braucht sich also keine Sorgen zu machen, ob auch genug Zellen arbeiten: Sie tun zusammen immer das Bestmögliche!

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