Frage:

Warum klebt der Duschvorhang immer am Bein?

Antwort:

Die morgendlichen Annäherungsversuche des Duschvorhangs können oft sehr lästig werden. Man kennt es: Kurz nachdem man einem angenehmen Wasserstrahl eingestellt hat, beginnt auch schon die dünne Plastikfolie sich nach innen zu wölben und Platz für sich zu beanspruchen. Passt man nicht auf und nähert sich dem Vorhang zu sehr, „schnappt“ er zu und klebt sich ans Bein.

Die übliche Erklärung für dieses Phänomen ist der Bernoulli-Effekt, ein grundlegender Effekt in der Strömungsmechanik, der im 18. Jahrhundert von Daniel Bernoulli entdeckt wurde. Bernoulli erkannte, dass an einem Ort, an dem die Strömungsgeschwindigkeit größer ist als in der Umgebung, der Luftdruck gegenüber der Umgebung immer niedriger ist. Dies ist eine Konsequenz der Energieerhaltung: Wenn Luft in das Gebiet größerer Strömungsgeschwindigkeit eindringt, muss sie beschleunigt werden, um sich dieser Geschwindigkeit anzupassen. In der Strömungsmechanik ist eine solche Beschleunigung mit einem Druckabfall als treibende Kraft verbunden. Die zusätzliche Bewegungsenergie, die die Luftteilchen erhalten, entsteht dadurch, dass der höhere Luftdruck im Bereich der langsamen Strömung Arbeit an diesen Luftteilchen verrichtet, wenn sie in den Bereich schnellerer Strömung gelangen. So sind also bei Luftströmungen Druck und Geschwindigkeit immer miteinander verbunden. Der Ort der höchsten Geschwindigkeit ist immer auch der Ort des niedrigsten Drucks.

Wenn also in der Duschkabine der Duschkopf Wasser mit hoher Geschwindigkeit ausstößt, wird die Luft in der Kabine davon mitgerissen. Folglich muss Luft von außen nachströmen und dabei beschleunigt werden. Dadurch kommt es zum Druckabfall in der Kabine, so dass der höhere Luftdruck außerhalb der Dusche den Duschvorhang nach innen drückt. Kommt man dem Vorhang zu nahe, verstärkt sich dieser Effekt sogar. Denn wenn die Luft zwischen Bein und Vorhang einen engeren Kanal durchströmt, muss sie dort noch schneller strömen, da ja nach wie vor die gleiche Luftmenge pro Zeit befördert werden muss. Somit wird also die Sogwirkung immer größer, je kleiner der Abstand des Vorhangs zu einem Hindernis ist.

2001 fand der amerikanische Wissenschaftler David Schmidt aus Massachusetts heraus, dass noch ein anderer Effekt zur Erklärung des Phänomens herangezogen werden kann. Eine Computersimulation der Bewegung der Wassertröpfchen zeigte, dass sich aufspaltende Wassertropfen im unteren Teil der Dusche einen Wirbel erzeugen, der ebenfalls einen Unterdruck hervorruft. Dieser Effekt ist beinahe genau so groß wie der Bernoulli-Effekt. Dass dies erst kürzlich erkannt wurde, zeigt deutlich, dass die auftretenden Kräfte sehr klein sind. Da aber der Duschvorhang großflächig und leicht zugleich ist, lässt er sich schon von minimalen Unterdrücken verbiegen. Das heißt aber auch, dass man schon durch das Anbringen kleiner Gewichte am Vorhangsaum oder durch das Festkleben des Vorhangs am Wannenrand mit etwas Wasser sich gegen dieses lästige Phänomen wehren kann.

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