Frage:

Warum werden wir seekrank?

Antwort:

Fahren Sie gern mit dem Schiff? Oder dreht sich Ihnen allein beim Gedanken daran der Magen um und Sie bekommen Schweißausbrüche? Reicht vielleicht schon eine leichte Brise mit ein wenig Welle und Sie müssen sich ständig in der Nähe von Reeling oder Toilette aufhalten? Dann gehören Sie wahrscheinlich zu den etwa 20 Prozent der Bevölkerung, die ganz besonders anfällig für Seekrankheit sind. Zum Auslösen der typischen Symptome muss man noch nicht einmal zur See fahren. Auch eine Fahrt in einem Reisebus oder ein Flug mit Turbulenzen können diese auslösen. Man spricht daher ganz allgemein von Reisekrankheit oder auch Kinetosen. Aber wieso wird uns übel?

Eine wichtige Rolle spielen dabei unsere Gleichgewichtsorgane, die in einem Teil des Innenohrs sitzen. Mit ihnen nehmen wir Bewegungen, genauer gesagt Beschleunigungen, wahr, und sie geben uns auch das Gefühl, wo „unten“ ist. Unser Gehirn benötigt diese Information, um uns im Gleichgewicht zu halten. Um nun auch bei schwierigen Aufgaben, wie zum Beispiel Fahrradfahren oder Balancieren, über einen Baumstamm nicht aus dem Gleichgewicht zu geraten, benötigt das Gehirn noch weitere Informationen. Diese erhält es von den Augen und von Sensoren, die in unserer Haut und unseren Muskeln sitzen und uns ein „Körpergefühl“, wissenschaftlich Propriozeption genannt, geben. Dass uns das Sehen beim Halten des Gleichgewichts hilft, merkt jeder, der auf einem Bein steht und dann die Augen schließt – man gerät ganz schön ins Schwanken. Auf einem schwankenden Schiff werden die verschiedenen Wahrnehmungen für das Gehirn nun widersprüchlich: Die Gleichgewichtsorgane melden rollende, stampfende und schwankende Bewegungen währen uns unsere Augen zeigen, dass beispielsweise der Kajütentisch felsenfest vor uns steht. Unser Gehirn kann den Konflikt nicht lösen und reagiert ... mit Seekrankheit! Der Sinn der Reaktion ist nicht eindeutig geklärt. Es wird spekuliert, dass dies ein Schutzmechanismus des Körpers ist, der sich durch die Übelkeit und das Erbrechen von Nervengiften, wie beispielsweise Alkohol, befreien möchte, die die Gleichgewichtssensoren stören. Nicht alle Menschen sind für die Reisekrankheit gleich empfindlich. Veranlagung führt hier zu großen Unterschieden: Während der eine auf der Überfahrt bei leichtem Seegang noch genüßlich ein Würstchen mit Kartoffelsalat verdrücken kann, muss jemand anderes schon über die Reeling spucken. Auch das Alter spielt eine Rolle. Kleinkinder unter zwei Jahren werden praktisch nie seekrank, ebenso sind Menschen in höherem Alter kaum empfindlich. Die Phase mit der größten Anfälligkeit haben wir im Teenager- und jungen Erwachsenenalter. Berüchtigt sind bei vielen Eltern daher Autofahrten über kurvige Landstraßen mit halbwüchsigen Kindern auf der Rückbank.Eine weitere wichtige Rolle spielt die Gewöhnung. Seekrankheit tritt meist nur am Anfang einer längeren Seereise auf. Im Verlauf stellt sich das Gehirn auf die ungewohnte Bewegung ein und nimmt sie zunehmend als „natürlich“ wahr. Das kann so weit gehen, dass nach der Rückkehr auf festen Boden plötzlich Übelkeit und Erbrechen auftreten – ein Phänomen das treffenderweise als „Landkrankheit“ bezeichnet wird. Darüber hinaus hat auch die Verfassung, in der wir uns befinden, einen Einfluss. Übermüdung, Hunger, Kälte und Angst steigern unsere Anfälligkeit für Kinetosen. Was kann man dagegen tun? Wer besonders unter Reisekrankheit leidet, kann rechtzeitig vor Antritt einer See-, Bus- oder Flugreise mit einem Medikament in Form von Tabletten, Kaugummis oder Pflaster aus der Apotheke Abhilfe schaffen. Auch Naturheilmitteln – wie z.B. Ingwer – wird eine Wirkung gegen Seekrankheit nachgesagt, allerdings ohne dass dies wissenschaftlich belegt ist. Ist die Übelkeit jedoch bereits da, ist es für Medikamente meist zu spät. Dann kann es hilfreich sein, die widersprüchlichen Gleichgewichtsinformationen so gering wir möglich zu halten: Man kann sich in den ruhigsten Punkt des Schiffes setzen oder mit Blick auf den Horizont versuchen, die Schiffsbewegungen auszugleichen. Erstaunlicherweise wird dem Steuermann eines Bootes oder dem Fahrer eines Autos praktisch nie schlecht, so dass es hilfreich sein kann, diese Aufgabe zu übernehmen. Das wirksamste Mittel bei Reisekrankheit ist jedoch, möglichst schnell wieder festen Boden unter die Füße zu bekommen!

Zur Redakteursansicht