Zusammenkommen ohne Anziehung
Enzymatische Reaktionen schaffen Mikroumgebungen für die Organisation zellulärer Prozesse
Im Inneren von Zellen bilden molekulare Tröpfchen klar definierte Bereiche für chemische Reaktionen. Dabei können nicht nur anziehende Wechselwirkungen zwischen Molekülen, sondern auch dynamische Reaktionen solche Tröpfchen bilden, wie Forscher des Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation (MPI-DS) und der Universität Oxford herausgefunden haben. Sie entdeckten somit einen neuen Mechanismus, mit dem sich lebende Materie selbst reguliert und organisiert.
Traditionell wurden von einer Membran umschlossene Zellorganellen als die funktionellen Einheiten einer Zelle angesehen. In den letzten Jahren wurde gezeigt, dass auch molekulare Tröpfchen, die im Inneren der Zelle gebildet werden, eine Mikroumgebung für wichtige Reaktionen darstellen. Solche Tröpfchen sind nicht von einer Membran umschlossen, sie entstehen stattdessen durch Phasentrennung. Die Tröpfchen bilden sich dynamisch und können je nach den Bedürfnissen der Zelle reguliert werden.
Kräfte außerhalb des Gleichgewichts können die Tröpfchenbildung auslösen
In der Abteilung Physik Lebender Materie arbeiten der geschäftsführender Direktor Ramin Golestanian und seine Mitarbeitenden daran, die Organisationsprinzipien der lebenden Materie aufzudecken. "Die Bildung von Tröpfchen in Zellen wurde bisher auf anziehende Wechselwirkungen zwischen Molekülen zurückgeführt - ähnlich wie sich Tröpfchen in nicht-lebenden Gleichgewichtssystemen bilden, etwa Öltröpfchen in einer Vinaigrette", erklärt Jaime Agudo-Canalejo, Gruppenleiter am MPI-DS. "Wir haben nun herausgefunden, dass auch Kräfte fernab vom Gleichgewicht die Bildung von enzymreichen Tröpfchen verursachen können. Sie werden durch enzymatische Reaktionen und auch ohne Anziehung zwischen den Molekülen generiert. Stattdessen werden die Enzyme durch die von ihnen erzeugten chemischen Ströme zusammengebracht", fährt er fort.
Die Forscher untersuchten diesen neuartigen Mechanismus mit einem Modell, in welchem dem die Wirkung einer enzymatischen Mehrkomponentenreaktion auf die Mikroumgebung beschrieben wird. Sie betrachteten dabei auch den zugrunde liegenden Rückkopplungsmechanismus, durch den die hervorgerufene Phasentrennung wiederum die ursprüngliche enzymatische Reaktion beeinflusst. "Wenn die enzymatische Aktivität zu stark wird, kommt es zu einer Phasentrennung, welche die Aktivität reduziert und so eine neue Form der Selbstregulation ermöglicht", beschreibt Matthew Cotton, Erstautor der Studie. Dieses komplexe Zusammenspiel von molekularen Wechselwirkungen kann ein dynamisches Umfeld für zelluläre Prozesse schaffen. Das neue Modell bildet somit einen weiteren Teil in dem komplexen Puzzle der Selbstorganisation des Lebens.