Bündelstrategie für Infektionsschutz zum Offenhalten der Schulen
Interdisziplinäres Expertenteam erstellt lufthygienischen Maßnahmenkatalog, um Schulen weiter offen zu halten, und empfiehlt eine Kombination synergetischer Maßnahmen inklusive Masken, Lüften, Abstand, Testen und Impfen.
Ein Aufrechterhalten des Betriebes in Schulen ist nach derzeitigem Kenntnisstand nur durch eine Bündelstrategie mit einer Vielzahl von Maßnahmen zu erreichen – so lautet die Empfehlung eines interdisziplinären Experten-Teams von MedizinerInnen, AerosolforscherInnen, PhysikerInnen, LufthygienikerInnen, Lüftungs- und Gebäudefachleuten. Insgesamt 14 Forschende aus 12 Einrichtungen in Deutschland und Österreich verfassten eine gemeinsame wissenschaftliche Stellungnahme, um u. a. politischen Entscheidungsträgern, Kommunen, Schulträgern und Eltern eine Entscheidungshilfe über notwendige und sinnvolle Maßnahmen zum Offenhalten der Schulen an die Hand zu geben.
Die Stellungnahme fasst die wichtigsten Schutzmaßnahmen in kompakter Form zusammen und wurde bereits an die Kultusministerkonferenz und verschiedene Bundesministerien versendet. Den Schwerpunkt der Empfehlungen legen die Forschenden dabei auf Maßnahmen zur Lufthygiene. Koordiniert wurde die Stellungnahme von Heinz-Joern Moriske vom Umweltbundesamt, beteiligt waren unter anderem Eberhard Bodenschatz vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation und Ulrich Pöschl vom Max-Planck-Institut für Chemie. Die vollständige Stellungnahme ist hier zu finden.
Um die Infektionsrisiken in Klassenzimmern deutlich zu reduzieren, nennen die Forschenden unter anderem folgende Punkte:
- Das Tragen von Mund-Nase-Bedeckungen kann durch keine technische Lüftungsmaßnahme ersetzt werden. Die Masken sollten von allen während des gesamten Unterrichtes getragen werden – möglichst auch von Lehrpersonen, da diese häufig und laut sprechen, was einen besonders große Emission von Tröpfchen und Atemluftaerosolen bedingt.
- Regelmäßige Fensterlüftung sorgt für einen wirksamen Abtransport von Atemluftaerosolen, was sich durch CO2-Messungen überprüfen lässt. Im Mittel über die Unterrichtsstunde sollte ein CO2-Wert von 1000 ppm nicht überschritten werden, was beispielsweise durch Stoßlüften beim Überschreiten von ca. 1200 ppm CO2 bis mindestens zum Unterschreiten von ca. 800 ppm CO2 erreichbar ist. Je weniger die CO2-Konzentration in der Klasse über dem Außenluftwert liegt (ca. 400-450 ppm), desto geringer sind Atemluftaerosolbelastung und damit verbundene Infektionsrisiken.
- Abluftventilatoren sind für Frischluftzufuhr und wirksame Atemluftaerosolreduktion langjähriger Stand der Technik. Sie reduzieren das indirekte Infektionsrisiko durch wirksamen Abtransport von Atemluftaerosolen und können darüber hinaus auch für gute Raumluftqualität und ein gutes Wohlfühlklima jenseits der Pandemie sorgen. Abluftventilatoren sind kurzfristig und mit geringem Aufwand nachrüstbar.
- Auch mobile Luftreiniger können zu einer Verringerung der Aerosolkonzentration beitragen, haben jedoch den grundsätzlichen Nachteil, dass sie nicht zu einer Erneuerung der Raumluft führen. Sie sollten daher nur unterstützend als zusätzliche Maßnahme zur Verringerung des aerosolgetragenen Ansteckungsrisikos dienen. Der Betrieb mobiler Luftreiniger ersetzt nicht die Notwendigkeit, im Unterricht weiterhin regelmäßig zu lüften und Masken zu tragen. Nach Möglichkeit sollten Lösungen mit Frischluftzufuhr bevorzugt werden.
Direkte Infektionen (Nahübertragung) entstehen bei geringem Abstand zu einer infizierten Person. Die beim Ausatmen und beim Sprechen abgegebenen Tröpfchen und Aerosolpartikel können unmittelbar vom Gegenüber eingeatmet werden, ohne zuvor zu Boden zu fallen oder sich im Raum zu verteilen und zu verdünnen. Die größeren Tröpfchen (ca. 0,1 mm und größer) fallen normalerweise auf kurze Distanz zu Boden (ca. 1,5 m), die kleineren Aerosolpartikel können sich als Schwebeteilchen im ganzen Raum verteilen und so auch zu indirekten Infektionen (Fernübertragung) führen.
Wirksamen Schutz gegen direkte und indirekte Infektionen bietet das Tragen von Masken, wobei medizinischer Mund-Nasen-Schutz (MNS) den Mindeststandard darstellt und FFP2-Masken besonders wirksam sind. Die Masken müssen korrekt getragen werden, also Mund und Nase vollständig bedecken und möglichst dicht sitzen. Andere Maßnahmen wie Lüften, Lüftungstechniken oder mobile Luftreiniger ersetzen das Tragen von Masken während der Pandemie nicht; sie sind flankierend zum Schutz vor indirekten Infektionen gedacht.
„Aktuelle Studien zeigen, dass das Tragen von Masken und regelmäßiges Testen die Infektionsrisiken am stärksten senken können.“ betont Prof. Dr. Eberhard Bodenschatz vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen.
„Intensives Lüften unterstützt durch Abluftventilatoren und CO2-Sensoren kann eine weitere Reduktion der Infektionsrisiken bewirken“, erläutert Prof. Dr. Ulrich Pöschl vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz. „Nur durch Kombination von Masken, Lüften und Testen kann eine wirksame Prävention gelingen.“
Durch die empfohlene Bündelstrategie und deren konsequente Umsetzung und Kontrolle können die Infektionsrisiken im Präsenzunterricht an Schulen deutlich reduziert werden.
„Die aktuellen Anfragen an das Umweltbundesamt zeigen, dass es weiterhin großen Bedarf sowohl bei Betroffenen als auch bei den politisch Verantwortlichen an verlässlichen Informationen darüber gibt, was in der aktuellen Pandemiesituation wirklich hilft und was bei den einzelnen Schutzmaßnahmen zu beachten ist. Nur durch eine sinnvolle Bündelung der Maßnahmen können wir den Schulbetrieb überhaupt weiter ermöglichen“, erklärt Dr.-Ing. Heinz-Jörn Moriske, Direktor und Professor am Umweltbundesamt Dessau-Roßlau.