Von Pandemie bis Polarstern

Die Online-Vortragsreihe „Wissenschaft beim Göttinger Literaturherbst“ bringt in diesem Jahr sechs internationale Spitzenforscherinnen und -forscher in die Paulinerkirche.

16. September 2020

Sechs hochkarätige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, sechs aktuelle Themen aus Medizin, Gesellschafts- und Naturwissenschaften – das bietet die diesjährige Vortragsreihe „Wissenschaft beim Göttinger Literaturherbst“. Ob es dabei um Stechmücken in der Londoner U-Bahn, um eine abenteuerliche Expedition am Nordpol oder um die derzeitige Corona-Pandemie geht, stets bieten die Vorträge aktuelle Forschungsergebnisse, neue Perspektiven und die Möglichkeit mitzudiskutieren. Die sechs Vorträge finden in der Zeit vom 23. Oktober bis zum 1. November jeweils um 19 Uhr wie gewohnt im Historischen Saal der Paulinerkirche statt – allerdings als reine Online-Veranstaltungen. Die Zuschauerinnen und Zuschauer nehmen per Livestream am Bildschirm teil. Die fünf Göttinger Max-Planck-Institute veranstalten die Online-Vortragsreihe gemeinsam mit der Göttinger Literaturherbst GmbH und der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek und stellen die Moderatoren der einzelnen Vorträge.

Den Anfang macht die Gesellschaftsforscherin Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung und Professorin für Bildungssoziologie und Arbeitsmarktforschung an der Humboldt-Universität zu Berlin. Am Freitag, 23. Oktober, stellt sie die Frage, wie es um den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland bestellt ist. Aufbauend auf Studien und Befragungen identifiziert sie das Vertrauen, das Menschen zu einander, in Politik und staatliche Institutionen haben, als sozialen Kitt und entwirft eine Vision, wie sich der aktuelle Zustand verbessern ließe. 

Am selben Abend erhält Allmendinger die diesjährige Science Communication Medal. Mit dieser Auszeichnung würdigen die fünf Göttinger Max-Planck-Institute Allmendingers besondere Verdienste, gesellschaftswissenschaftliche Forschungsergebnisse einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Bisherige Preisträger sind David J.C. MacKay, Harald Lesch, Metin Tolan, Douglas R. Hofstadter, Mark Miodownik und Martin Wikelski.

Auch die folgenden Online-Vorträge beschäftigen sich mit der aktuellen Situation in Deutschland und der Welt. Am Sonntag, 25. Oktober, ist mit Jörg Hacker einer der führenden Experten auf dem Gebiet der globalen Infektionskrankheiten zu Gast in der Paulinerkirche. Der ehemalige Präsident des Robert-Koch-Instituts und der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina stellt sein Buch „Pandemien: Corona und die neuen globalen Infektionskrankeiten“ vor. Im Vortrag erläutert er, wie die Globalisierung zum Entstehen von Pandemien beiträgt, welche Strategien die weltweite Ausbreitung von Krankheiten eindämmen können und wie sich dies auf Politik, Wirtschaft und andere Bereiche des gesellschaftlichen Lebens auswirkt.

Einer dieser Bereiche ist das aktuelle Migrations- und Flüchtlingsgeschehen, wie Ayelet Shachar vom Göttinger Max-Planck-Institut zur Erforschung multiethnischer und multikultureller Gesellschaften am Dienstag, 27. Oktober, beleuchtet. In ihrem Online-Vortrag blickt die Leibniz-Preisträgerin auf das Konzept der Grenze, das heute weit mehr als eine starre, geographische Linie sei. Vielmehr erzeugen Abkommen und rechtliche Bestimmungen vor und nach der Einreise eine Art virtuelle Grenze, die sich stark verschieben kann – und die nicht zuletzt durch die aktuelle Corona-Pandemie beeinflusst wird. Der Online-Vortrag findet in englischer Sprache statt.

Von einer einzigartigen Forschungsexpedition erzählt Markus Rex, Professor an der Universität Potsdam und Leiter der Sektion Atmosphärenphysik des Alfred-Wegener-Instituts, am Donnerstag, 29. Oktober. Seit September vergangenen Jahres ist sein Expeditionsschiff, die Polarstern, mit wechselnder Besatzung am Nordpol eingefroren, um vor Ort Klimaveränderungen zu untersuchen. Im Vortrag berichtet Rex von den zugrunde liegenden Forschungsfragen und -methoden sowie vom Arbeitsalltag in einer der unwirtlichsten Regionen der Erde.

Um die Frage, wie sich der emotionale Umgang mit Krebserkrankungen in den vergangenen Jahrhunderten verändert hat, geht es am Samstag, 31. Oktober. Die Medizinhistorikerin Bettina Hitzer vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin stellt ihr Buch „Krebs fühlen“ vor. War Krebs noch vor hundert Jahren eine Krankheit, die wegen ihres unweigerlich tödlichen Verlaufs und der oftmals starken Schmerzen, gefürchtet war, haben sich die Heilungschancen -  zumindest für eine ganze Reihe von Krebserkrankungen - stark verbessert. Bettina Hitzer schildert historische Zusammenhänge zwischen Krankheit und Gefühl, die bisher kaum beachtet werden. Der Mensch rückt mehr in den Vordergrund der modernen Medizin, die von Technik, Maschinen und Programmen unterstützt wird, ohne unser Gesundheitssystem zu beherrschen.

Um eine gänzlich andere Evolution geht es am Sonntag, 1. November, im Vortrag von Menno Schilthuizen von der Universität Leiden. In seinem Online-Vortrag berichtet der niederländische Evolutionsbiologe von Feldforschung weit ab von Dschungel, Urwald und unberührter Natur. Stattdessen entführt Schilthuizen die Zuschauer in das Ökosystem „Stadt“, das sich Flora und Fauna mit atemberaubender Geschwindigkeit und eindrucksvoller Anpassungsfähigkeit erschließen. Der Online-Vortrag findet in englischer Sprache statt.

Der Kauf eines On-Air-Tickets für den diesjährigen Literaturherbst ermöglicht den Zugang zu ALLEN Veranstaltungen des Literaturfestivals, auch zu denen der Online-Vortragsreihe „Wissenschaft beim Göttinger Literaturherbst“.

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