Im Schlepptau – wie Regen entsteht
Forscher vom Göttinger Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation zeigen erstmalig in einem Modellsystem wie fallende Regentropfen kleinere Regentropfen nach sich ziehen
Die Ursache von abrupten Regengüssen ist für Wissenschaftler, die die Atmosphäre untersuchen, nach wie vor ein Rätsel, unter anderem auch, weil echte Wolken für aufwändige Laborexperimente zu kompliziert sind. Ein Forscherteam vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen hat in einer nur wenige Zentimeter großen Zelle unter Hochdruckbedingungen eine künstliche Atmosphäre erzeugt, um darin die Entstehung und Dynamik von Wolken sowie die Erzeugung von Regen zu untersuchen. Sie fanden heraus, dass ein kalter Tropfen, der durch ihre Modellatmosphäre fällt, in seinem Gefolge einen Strom von Mikrotröpfchen erzeugt und nach sich zieht. In echten Wolken könnten solche Tropfen bzw. Hagelkörner neue Mikrotröpfchen generieren und somit die Regenmenge und Regenintensität entscheidend beeinflussen. Diesen Vorgang zu untersuchen ist wichtig, um die Entwicklung von Wolken zu verstehen und die Regenwahrscheinlichkeit besser vorhersagen zu können.
Kontrolliert: „Wolkenimpfung“
Aufgrund vieler miteinander wirkender Elemente ist es sehr schwierig, Wetter, Wolken und Regen im Computer zu simulieren oder in kontrollierten Laborexperimenten zu untersuchen. Wolken- und Regenforscher haben sich daher weitgehend auf Feldmessungen und Feldexperimente verlassen. Beispielsweise wurden in den 50er Jahren Experimente gemacht, bei denen Trockeneisgranulate in Wolken fallen gelassen wurden, um Ströme von Regen zu erzeugen. Bei diesen Untersuchungen können entscheidende Parameter allerdings nicht gezielt variiert werden, um deren Einfluss zu benennen. Die Erklärung wie und warum diese „Wolkenimpfung“ Regen erzeugt, blieb bisher offen. Einem Team um Eberhard Bodenschatz vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen ist es jetzt erstmalig gelungen, Wolken und Regen in einer nur wenige Zentimeter großer Hochdruckzelle zu erzeugen. Um die Erdatmosphäre erfolgreich nachzuahmen benutzten die Göttinger Forscher eine Mischung aus Schwefelhexafluorid (SF6) und Helium (He), welches sie zwischen zwei horizontale Platten mit etwa 2 cm Abstand füllten. Über Spiegel konnte die Strömung in der Zelle von der Seite beobachtet werden. In diesem System spielte das SF6 die Rolle des atmosphärischen Wassers, welches je nach Temperatur und Druck entweder flüssig oder gasförmig ist. Das Helium spielte die Rolle der anderen Gase in der Atmosphäre, wie Stickstoff und Sauerstoff.
Nachgebaute Atmosphäre
Die Forscher erhitzten die untere Platte, die obere Platte kühlten sie. „Wir regeln den Druck so, dass SF6 sowohl als Flüssigkeit als auch als Gas vorkommt. Flüssiges SF6 sammelt sich an der unteren warmen Platte und bildet eine Schicht, ähnlich einer Wasserfläche auf der Erde. Darüber bildete sich eine gasförmigen Schicht aus He und SF6. In dieser Konfiguration simuliert das Experiment ein Meer oder See, von dem stetig Wasser verdampft und nach oben in kühlere Bereiche steigt.“, erläutert Prasanth Prabhakaran die Idee. Im Experiment kondensierte das aufsteigende SF6 an der kalten oberen Platte und regnete als kalte Tropfen wieder ab.
Freier Fall mit Gefolge
Mit Hilfe einer Hochgeschwindigkeitskamera konnten die Forscher die fallenden Tropfen auf ihrem Weg durch die wärmere Gas-Schicht verfolgen. Sie beobachteten dabei, dass sich hinter den großen Tropfen viele neue kleine Mikrotröpfchen bildeten. Diese Tröpfchen entstehen, so erklären die Forscher, weil der kalte Tropfen beim Fallen die mit SF6 gesättigte Atmosphäre lokal leicht abkühlt, was zu einer Übersättigung führt und somit flüssiges SF6 als kleine Mikrotröpfchen auskondensiert. Ihre Hypothese unterstützt das Team mit thermodynamischen Berechnungen.
Die Forscher vermuten, dass ein ähnlicher Mechanismus bei der Bildung von Wolken und Regen eine wichtige Rolle spielt. Für Bedingungen, wie sie in der Atmosphäre vorkommen, rechneten sie aus, dass sich vor allem bei sehr großen Regentropfen und Hagelkörnern kleine Mikrotröpfchen in ihrem Nachlauf bilden können. Dies wiederum hätte entscheidende Auswirkung auf die Wolkendynamik und somit auf die Niederschlagsintensität. Hierfür ist ihrer Meinung nach weitere Forschung notwendig, da die Atmosphäre mit ihren turbulenten Bewegungen und starken Winden komplexer ist als das Laborsystem. Denn auch Staub und andere Partikel spielen bei der Tröpfchen-Bildung in der Atmosphäre eine Schlüsselrolle, während die Tröpfchen in den Experimenten hiervon nicht beeinflusst wurden.
Wolken im Labor
In einer Variation des Experiments wurde die Menge an SF6 so verringert, dass es zwar an der oberen Platte kondensiert, sich jedoch an der unteren warmen Platte keine flüssige Schicht ausbildet. In diesem Fall war der Temperaturgradient in der Gasschicht größer und die erzeugten Mikrotröpfchen formten eine stabile horizontale Schicht, ähnlich einer Wolke. Oberhalb dieser Schicht bildeten sich die Mikrotröpfchen, da hier die Atmosphäre kälter und mit „Feuchtigkeit“ übersättigt war. Darunter war die Atmosphäre wärmer und untersättigt, so dass die Mikrotröpfchen verdampften.
Für Eberhard Bodenschatz liefert die Arbeit "ein klares Beispiel dafür, wie uns Laborversuche von idealisierten Problemen helfen können, atmosphärische Prozesse besser zu verstehen. So können wir zukünftig die Dynamik und Selbstorganisation bei der Wolkenbildung genauer nachvollziehen.“