Das Blubbern von Ordnung
Molekulare Ordnung fördert Kavitation
Kavitation beschreibt die Entstehung kleiner Blasen in Flüssigkeiten und deren anschließendem Zerfall. Erstmalig entdeckte der niederländische Physiker Christiaan Huygens im Jahr 1672 das Phänomen der Kavitation. Seit jeher beschäftigen sich Strömungsforscher damit. Problematisch ist die Kavitation, weil die Blasen plötzlich und schnell zusammenfallen und dabei enorme Kräfte freisetzen. Zum Beispiel: Durchwirbeln Schiffsschrauben Meerwasser, verursachen die Blasen an den Schrauben jährliche Reparaturkosten in Millionenhöhe. Es kommt zum sogenannten Kavitationsfraß, denn die Oberfläche wird durch die hohen mechanischen Beanspruchungen beschädigt. Ein Forscherteam vom Göttinger Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation (MPIDS), der Technischen Universität Berlin (TU Berlin) und der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH Zürich) konnte nun erstmalig zeigen, dass Kavitation auch auf viel kleiner Skala stattfindet, besonderes in Flüssigkeiten mit molekularer Ordnung. So können Flüssigkristalle beim Durchströmen von Mikrokanälen sehr leicht kavitieren. Die Grundlagenforscher hoffen anhand ihrer Ergebnisse zukünftig Blasenbildung in verschiedenen Flüssigkeiten, aber auch Abläufe in der Zelle besser zu verstehen, da biologische Bausteine der Zelle ähnliche Eigenschaften wie Flüssigkristalle haben. Die Ergebnisse von Tillmann Stieger und seinen Koautoren sind jetzt in Fachblatt Nature Communications erschienen.
Ordnung ist der Schlüssel
Bewegt sich eine Flüssigkeit schnell in Bezug auf ein festes Objekt, fällt der Druck ab. Erreicht dieser Druckabfall den Dampfdruck, tritt Kavitation auf. Das Phänomen ist als hydrodynamische Kavitation bekannt. Das Team der Strömungsforscher aus Göttingen, Berlin und Zürich fand nun heraus, dass Kavitation in Flüssigkristallen bereits unter sehr milden Bedingungen auftritt - im Gegensatz zu den bisher bekannten aggressiven Methoden. Auf Grund ihrer Materialeigenschaften ordnen die Moleküle der Flüssigkristalle in der Strömung parallel zueinander aus, sodass die Blasenbildung energetisch begünstigt wird.
Wie im Großen so im Kleinen
Die Idee zu dieser Arbeit stammt aus Versuchen der PhD-Forschung von Dr. Anupam Sengupta am MPIDS, der jetzt als Human Frontiers Cross-Disciplinary Fellow in Zürich arbeitet. Die Forscher entdeckten, dass Flüssigkristalle sehr leicht kavitieren, wenn sie in winzigen Kanälen fließen. Dazu haben sie in ihren Experimenten Flüssigkristalle in winzigen Kanälen mit 100 Mikrometer Durchmesser (die Breite eines Haares) fließen lassen. Stromabwärts an einem eingebrachten Pfeiler kommt es zum Druckabfall, bei dem die Wissenschaftler Kavitation beobachteten. Dr. Sengupta und Dr. Marco G. Mazza, Leiter einer Forschungsgruppe in der Abteilung für komplexe Flüssigkeiten am MPIDS, taten sich zusammen, um molekulardynamische Simulationen durchzuführen und das Problem theoretisch zu untersuchen.
Die Forscher beobachteten, je mehr die Moleküle in den Flüssigkristallen ausgerichtet sind desto leichter bildet sich Kavitation. Das bedeutet, dass der Ordnungsgrad der Flüssigkristalle den Kavitationsvorgang reguliert. Diese Entdeckung hat Auswirkungen auf eine schwierige Begrenzung der Mikrofluidik, nämlich das Vermischen von Flüssigkeiten in mikrofluidischen Geräten. Bei Strömungen auf der Mikroskala erfolgt das Mischen vor allem durch molekulare Diffusion, in einem sehr langsamen Prozess. Das Wachstum von Kavitationsblasen und deren Zusammenbruch kann den Mischprozess erheblich beschleunigen. „Dies ist eine spannende Neuentwicklung in dem mehr als 100 Jahre alten Bereich der Flüssigkristallforschung“, betont Dr. Marco G. Mazza, Leiter der Gruppe in der Abteilung Komplexe Fluide am Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation. „Unsere Arbeit eröffnet neue Möglichkeiten, den hydrodynamischen Fluss durch die Ordnung und Topologie der Flüssigkristalle zu manipulieren. Das wird eine Richtung sein, die wir in Zukunft verfolgen werden“, so Mazza abschließend.