Verkabelung im Gehirn verläuft nicht zufällig
Neurowissenschaftler Markus Helmer vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation erhält Otto-Hahn-Medaille der Max-Planck-Gesellschaft
Für seine Dissertation am Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation (MPIDS) und am Bernstein Center for Computational Neuroscience (BCCN) bekam der 31-jährige theoretische Neurowissenschaftler Markus Helmer heute (15. Juni 2016) die Otto-Hahn Medaille der Max-Planck-Gesellschaft verliehen. Die Medaille wurde Helmer für seine „wegweisenden Fortschritte zur neuronalen Modellierung selektiver Aufmerksamkeit“ im Rahmen der Sektionssitzung auf der 67. Jahresversammlung der Max-Planck-Gesellschaft in Saarbrücken verliehen. Seine Dissertation schrieb Helmer in der Abteilung von Professor Theo Geisel.
In seiner Dissertation ging Markus Helmer der Frage nach, was in unseren Gehirnen eigentlich passiert, wenn wir uns auf etwas konzentrieren. Hierzu nutze er im ersten Schritt Daten, die Wissenschaftskollegen bei Makaken in der Vergangenheit erhoben haben. Bei den Makaken wurde mit einer Elektrode im Gehirn gemessen, wie sich die Aktivität der Neuronen im visuellen Kortex ändert, wenn sich die Affen auf bestimmte visuelle Stimuli konzentrieren. Da solche Daten jedoch in diesem und weiteren Experimenten sehr verrauscht und variabel sind, hat Helmer nach einer Methode gesucht, diese Daten dennoch auszuwerten. Durch seine neue Analyse zeigte sich, dass die gemessenen Neuronenaktivitäten mit bisher existierenden theoretischen Modellen nicht kompatibel sind. Helmer und Kollegen hoffen nun, diese Modelle mit den neuen Daten weiterzuentwickeln, um somit besser verstehen zu lernen, wie Aufmerksamkeitseffekte zustande kommen.
Von der einzelnen Nervenzelle zum Kollektiv
Im zweiten Teil der Dissertation ging es darum herauszufinden, wie wichtig die Verkabelung in einem kleinen Stück Kortex für deren Funktionieren ist? Um einen solchen Schaltkreis zu untersuchen, entwickelte Markus Helmer ein Modell, welches auf gemessenen Daten für die Verbindungsstärken zwischen Neuronen in verschiedenen Schichten des Kortex beruht. Mit diesem Modell konnte Helmer dann dynamische Eigenschaften reproduzieren, die in wiederum anderen Experimenten gemessen wurden und darauf hindeuten, dass neuronale Oszillationen einen wichtigen Beitrag zur Kommunikation zwischen verschiedenen Hirnarealen leisten könnten. Interessanterweise war es im Allgemeinen nicht möglich, diese Experimente zu reproduzieren, wenn statt der realistischen Verkabelung eine zufällige gewählt wurde, wie es in vielen bisherigen Gehirnmodellen üblich ist. Insofern deutet das neuentwickelte Modell darauf hin, dass die Verkabelung zwischen den Schichten des Kortex nicht willkürlich ist. Mit diesem Modell können die theoretischen Hirnforscher zukünftig das Zusammenspiel einer oder zweier kortikaler Schaltkreise untersuchen und darüber hinaus auch das von vielen bis hin zu sehr groben Modellen für das gesamte Gehirn. Dadurch lernen die Grundlagenforscher mehr darüber, wie verschiedene Gehirnareale zusammenarbeiten könnten.
Seit 1978 zeichnet die Max-Planck-Gesellschaft jedes Jahr junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für herausragende wissenschaftliche Leistungen, die sie in der Regel im Zusammenhang mit ihrer Doktorarbeit erbracht haben, mit der Otto-Hahn-Medaille aus. Diese ist mit einem Anerkennungsbetrag von 7500 Euro verbunden. Durch die Preisverleihung sollen besonders begabte Nachwuchswissenschaftler zu einer späteren Hochschul- oder Forscherkarriere motiviert werden.
Markus Helmer studierte Physik an der Universität Ulm, bevor er 2011 nach Göttingen kam, wo er seine Doktorarbeit in der Abteilung von Theo Geisel am Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation schrieb. Seit 2015 ist er dort als Postdoktorand tätig.