Intelligente Stromnetze - dezentral und trotzdem stabil

Einzigartiges Verbundprojekt zu zukunftsfähigen Netzen geht an den Start

1. Oktober 2014

Fünf führende Forschungsinstitute in Deutschland haben sich zur Erforschung von zukünftigen Stromnetzen mit vorwiegend erneuerbaren Quellen zusammengetan. Das Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation Göttingen (MPIDS), das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) , das Forschungszentrum Jülich (FZJ), die Jacobs University Bremen (JUB) und das Frankfurt Institute for Advanced Studies (FIAS) starten gemeinsam ihre konzeptionellen Untersuchungen zur Stabilität von Stromnetzen, zur ökologischen und ökonomischen Effizienz und zu möglichen Risiken. Der weltweit einzigartige Forschungsverbund zur kollektiven nichtlinearen Dynamik von Netzwerken (CoNDyNet) will herausfinden, wie eine verlässliche Verteilung dezentral und erneuerbar erzeugter Energie in Zukunft gewährleistet werden kann. Den Forschungsverbund CoNDyNet haben Professor Dr. Marc Timme (Leiter der Arbeitsgruppe Netzwerk-Dynamik am Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation, MPIDS) sowie Dr. Dirk Witthaut (zunächst MPIDS, mittlerweile auch Forschungszentrum Jülich) initiiert und maßgeblich auf den Weg gebracht. Professor Dr. Dr. h.c. mult. Kurths, Leiter des Forschungsbereichs Transdisziplinäre Konzepte und Methoden am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) koordiniert das einmalige Verbundprojekt CoNDyNet. Dem Verbund gehören neben den fünf theoretischen Arbeitsgruppen auch fünf Partner aus der Industrie und der Forschungsanwendung an. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert CoNDyNet über einen Zeitraum von 3 Jahren mit mehr als 2,6 Millionen Euro.

100 Prozent erneuerbar

Bis zum Jahr 2050 sollen laut Bundesregierung mindestens 80 Prozent, idealerweise 100 Prozent des Bruttostromverbrauchs in Deutschland aus erneuerbaren Energiequellen erzeugt werden. Zukünftig versorgen also immer mehr kleine, dezentrale Wind-, Wasser- und Solaranlagen statt wenige große Kraftwerke Deutschland mit Strom. „Bisher konnten die Kraftwerke zentral gesteuert werden. Das wird in der Zukunft nicht mehr einfach möglich sein, da durch die vielen kleineren und verteilten Energiequellen ein höherer Grad an Rückkopplung erzeugt wird.“, erklärt Professor Timme, Leiter der Arbeitsgruppe Netzwerk-Dynamik am Göttinger Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation.

Innovative Konzepte der Nichtlinearen Dynamik

Die schwankende Stromproduktion aus erneuerbaren Energien stellt neuartige Anforderungen an die Stabilität unserer Energieversorgung. Das gemeinsame Verbundprojekt soll hier mit innovativen Konzepten der Nichtlinearen Dynamik und der Statistischen Physik einen wichtigen Beitrag leisten, um intelligente und zukunftsfähige Stromnetze zu entwickeln", sagt Professor Jürgen Kurths vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung als Koordinator des Verbundprojektes CoNDyNet. „Teilweise müssen wir die Konzepte selbst weiterentwickeln und auf die Problemstellungen in modernen Stromnetzen anpassen“, ergänzt Marc Timme.

Netz im Takt

Um die Stromversorgung herzustellen, ist es unabdingbar, dass die Netzwerke im Takt sind. „Wie in einem Orchester müssen die vielen Kraftwerke, die Millionen Haushalte und das dazugehörige Netz aufeinander abgestimmt werden", betont Timme. Was passiert, wenn dieses Orchester außer Takt gerät, zeigen Stromausfälle wie der am 4. November 2006, als gegen 22 Uhr die Lichter ausgingen. Der Grund: über die Ems im niedersächsischen Papenburg sollte ein Schiff von der Werft in die Nordsee auslaufen. Dafür mussten nur zwei, die Ems querende Hochspannungsleitungen abgeschaltet werden, allerdings mit der schwerwiegenden Folge von Stromausfällen in vielen europäischen Ländern – bis nach Marokko. Die übrigen Hochspannungsleitungen waren überlastet. „Der Strom sucht sich einen anderen Weg durch das Netz. Bei dieser Suche ist jede Leitung eine Zuleitung zum Gesamtnetz, also gleichberechtigt", unterstreicht Dr. Witthaut, der seit kurzem eine unabhängige Forschungsgruppe zur Stabilität von Versorgungsnetzen am Forschungszentrum Jülich leitet.

Wichtige Eckpfeiler für grundlegende Konzepte

Um Stromausfälle dieser Art auch unter den erschwerten Bedingungen einer zunehmend dezentralen Energieerzeugung zu vermeiden, streben die fünf beteiligten Institute der angewandten Forschung und der Grundlagenforschung in ihrem Verbundprojekt CoNDyNet ein fundamentales Verständnis der kollektiven nichtlinearen Dynamik komplexer Stromnetze an. Darüber hinaus wollen sie wichtige Eckpfeiler für neue grundlegende Konzepte zum Netzbetrieb und Netzausbau der Verteil- und Übertragungsnetze auf regionaler, nationaler, aber auch auf gesamteuropäischer Ebene erarbeiten. CoNDyNet arbeitet direkt mit Anwendungspartnern aus der Industrie, wie z.B. mit der EasySmartGrid GmbH in Karlsruhe, und Siemens Corporate Research in München zusammen.

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