Frage:

Wer oder was ist verrückt?

Antwort:

Ob ein Mensch verrückt ist, hängt sehr stark davon ab, wen man fragt. Jemand, der sich mit einem Gleitschirm vom Eiffelturm wirft oder mit dem Fahrrad nach Peking fahren will, wird von vielen als verrückt bezeichnet werden. Auf der anderen Seite werden viele Leute einen Vorgarten voller Gartenzwerge als das Werk eines Verrückten bezeichnen. Ich finde es verrückt, mehr Geld fürs Auto auszugeben als für Lebensmittel. Dem ganzen liegt die Alltagsdefinition von „verrückt“ zugrunde, nämlich ein von der (persönlichen) Norm abweichendes Verhalten. Verrücktheit ohne Verhalten zu definieren, ist also nicht möglich. Um nicht mit der Alltagsbedeutung von Wörtern kämpfen zu müssen, bildet die Wissenschaft Fachausdrücke, wie den der Psychose.

Vor einigen Jahren wurde noch zwischen Psychose und Neurose unterschieden. Bei beiden Begriffen handelt es sich um schwere psychische Störungen, bei denen der Erkrankte den Realitätsbezug zeitweise fast völlig verliert. Bei einer Neurose erlebt der Erkrankte sich selbst, bei einer Psychose seine Umwelt als verändert. Allerdings konnte diese klare Klassifikation so nicht aufrechterhalten werden, da zum einen die Grenzen zwischen Psychose und Neurose fließend sind, zum anderen der Übergang von neurotischem zu normalem Verhalten nicht klar definierbar ist und drittens der Begriff Neurose aus der Freudschen Psychoanalyse stammt und damit dessen Erklärungsmuster für psychische Störungen voraussetzt. Meist ist es schwer, der erkrankten Person klarzumachen, dass sie krank ist. Die Symptome einer akuten Psychose sind oft Wahn und Halluzinationen. Wahn ist eine felsenfeste Überzeugung, die nichts mit der Realität zu tun hat und durch noch so starke Beweise des Gegenteils nicht erschüttert werden kann. Unter Halluzinationen versteht man eine Sinneswahrnehmung ohne äußere Ursache, zum Beispiel, dass man Dinge sieht, die nicht existieren.

Es gibt Psychosen, die eine eindeutige organische Ursache haben, zum Beispiel können dies Schäden im zentralen Nervensystem sein, etwa hervorgerufen durch Tumore, Unterversorgungen oder Stoffwechselstörungen oder aber äußere Einflüsse, wie Medikamente oder Drogen. LSD wurde speziell für den Zweck auf den Markt gebracht, Ärzten die Möglichkeit zu geben, sich vorübergehend in die Lage ihrer psychotischen Patienten zu versetzen. Aber auch wenn keine direkte organische Ursache identifiziert werden kann, muss doch ein Gleichgewicht gewisser Neurotransmitter gestört sein. Ob bestimmte Menschen dafür anfälliger sind als andere, ist unklar.

Ein Beispiel für Störungen, deren Ursachen nicht bekannt sind, ist eine schizophrene Psychose, bei denen der Erkrankte meist halluzinierte Stimmen hört, die zum Beispiel miteinander sprechen, schimpfen, Befehle erteilen oder die Handlungen des Erkrankten kommentieren. Ein anderes Symptome sind die Auflösung der sogenannten Ich-Grenze, so dass der Erkrankte der Meinung ist, dass seine Gedanken laut für alle hörbar seien oder er die Gedanken anderer hören könne. Außerdem können Wahnwahrnehmungen auftreten, bei denen der Erkrankte zufälligen Ereignissen eine auf sich bezogene Bedeutung gibt, so dass zum Beispiel ein Passant, der ein Stück denselben Weg geht, als Verfolger wahrgenommen wird.

Mit Hilfe bildgebender Untersuchungsmethoden, wie der Magnetresonanztomographie, hat man herausgefunden, dass sich zumindest während der Erkrankung das Gehirn verändert. Leider ist dabei bisher nur herausgefunden worden, dass bestimmte Hirnbereiche sich im Laufe der Erkrankung in ihrem Volumen verändern. Ob dies aber an dem Akutstadium der Krankheit liegt oder eine Folge der medikamentösen Behandlung ist, wird in der Wissenschaft kontrovers diskutiert, ohne dass sich bereits klare Ergebnisse abzeichnen. Da ein und dasselbe Medikament bei Erkrankten mit ähnlichen Symptomen sehr unterschiedliche Auswirkungen haben kann, ist die typische Vorgehensweise heutzutage, mit sehr vorsichtiger Anwendung von Medikamenten den Patienten aufnahmefähiger zu machen, um ihm seinen Zustand begreiflich zu machen und ihm Wege aufzuzeigen, mit der Störung leben zu können.

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