Frage:

Sagen alle Babys als erstes „Örö“?

Antwort:

Dies ist eine recht umstrittene Frage. Obwohl das Thema seit mehr als 60 Jahren in Experimenten untersucht wird, gibt es noch immer viele Diskussionen. In den frühen 60ern bestand die Lehrmeinung darin, dass das Plappern oder das Gebrabbel von Babys aller Kulturen und aller Muttersprachen ähnlich ist. Man ging davon aus, dass Babys unabhängig von der Sprache, die sie zuhause hören, ähnliche erste Laute bilden.

In letzter Zeit ist es jedoch nötig geworden, diese Sicht zu überdenken. Denn Experimente legen nahe, dass ab einem Alter von sechs bis acht Monaten das Geplapper von Babys bereits beginnt, sich ähnlich anzuhören wie die Sprache, welche die Babys zuhause hören. Hört man sich also die Laute an, die ein chinesisches Baby im Alter von sechs Monaten bildet, und solche, die ein sechs Monate altes, französisches Baby bildet, so kann man zuordnen, welche Geräusche von welchem Baby stammen. Analysieren speziell ausgebildete Sprachforscher diese Laute, können sie die physikalischen Eigenschaften dieser Laute mit den Eigenschaften der Muttersprache in Verbindung bringen.

Im Widerspruch zur gängigen Meinung aus den 60ern geht man also heute davon aus, dass sich ab einem Alter von sechs bis achten Monaten die Laute eines Babys ähnlich anhören wie die, welche die Kinder im elterlichen Sprechen hören.

Doch wie sieht die Situation in den ersten Lebensmonaten aus? Das Bilden der ersten Laute folgt einem bestimmten Muster, das sich gut in einzelne Abschnitte unterteilen lässt. In der ersten Phase, im Alter bis zu zwei Monaten, neigen Säuglinge dazu, Geräusche wie Weinen, Husten oder Aufstoßen zu erzeugen. Diese Geräusche haben keine kommunikative Absicht: Das Kind hat nicht vor zu weinen oder zu husten.

Ab einem Alter von drei bis sechs Monaten beginnen Säuglinge eine Auswahl sprachähnlicher Laute zu bilden. Diese Phase bezeichnet man als „Spiel mit der Stimme“. Denn es hat den Anschein, als experimentierten die Säuglinge mit den verschiedenen Teilen ihres Mundes, um auszuprobieren, welche Geräusche diese Teile erzeugen können. Diese Phase beginnt mit Lauten, die Vokalen ähneln. Und in der Tat sind die allerersten sprachähnlichen Laute von Säuglingen Vokale (wie etwa „aaaa“ und „eeee“). Dies müssen nicht notwendigerweise Vokale sein, die in der Muttersprache vorkommen. Stattdessen erscheinen die Lautäußerungen durch die physikalischen Möglichkeiten der kindlichen Organe eingeschränkt zu sein, die sich ja noch entwickeln.

Danach geht das Baby typischerweise zu Lauten über, die einige Konsonanten enthalten, wie „k“, „g“ und „r“. Dies führt zu den Lauten, die man als Gurren bezeichnet. In dieser Phase gibt es zwar keine bestimmte Abfolge von Lauten, die alle Säuglinge bilden. Es kommt jedoch gehäuft vor, dass Säuglinge wiederholt diese Konsonanten in Abfolgen von Konsonanten und Vokalen einsetzen.

Um auf die ursprüngliche Frage zurückzukommen: Da Säuglinge früh vokal-ähnliche Laute bilden und da „r“ in den frühen Äußerungen oft vorherrscht, kann es gut sein, dass die ersten sprachähnlichen Abfolgen von Lauten einem “Örö” ähneln. Allerdings gibt es keinen wissenschaftlichen Hinweis darauf, dass diese Lautkombination immer die erste ist.

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