Frage:

Können Computer kreativ sein?

Antwort:

Eine Hand greift nach einem Pinsel und rückt die Leinwand zurecht. Ein langer Blick auf das Motiv erschließt Komposition und Stimmung. Passende Farben werden angemischt, und Strich um Strich füllt die Leinwand. Ein Bild entsteht. Hier und da werden kleine Korrekturen vorgenommen, um den Gesamteindruck abzurunden. „Ganz klar: ein kreativer Prozess!“, werden Sie wahrscheinlich denken. Würden Sie auch bei dieser Meinung bleiben, wenn es sich bei der Hand um die eines Roboters handelt und das innere Bild des Kunstwerkes in einem „Computergehirn” entsteht? Was verstehen wir eigentlich unter „Kreativität“?


Das Produkt eines kreativen Prozesses sollte sowohl neuartig als auch wertvoll (im Sinne des Arbeitsgebietes) sein, womit eine enge Verknüpfung mit der subjektiven menschlichen Wahrnehmung und Bewertung besteht. Programme, die solche „neuartigen und wertvollen“ Werke erstellen, beruhen im Wesentlichen auf zwei verschiedene Mechanismen. Bei der Verwendung von „Regelsystemen“ grenzen diese ein, was in den einzelnen Schaffensschritten möglich ist. Da es in vielen Entwicklungsstadien des Werkes mehrere Fortsetzungsmöglichkeiten gibt, erzeugen die Programme niemals das gleiche Bild. „Erkundende Verfahren“ bestehen typischer Weise aus der häufigen Wiederholung weniger einfacher Schritte. Ausgangsobjekte werden miteinander kombiniert und leicht verändert. Aus den Ergebnissen werden die besten Objekte abermals der Kombination und Veränderung unterworfen und in ihrer Qualität bewertet, usw. Die hier beschriebenen Mechanismen kommen schon in vielen Bereichen zur Anwendung.

Der Künstler Harold Cohen entwickelte zum Beispiel ein Programm, das in Verbindung mit einer eigens dafür entworfenen Maschinerie in der Lage ist, selbst Bilder zu entwerfen, Farben zu wählen, zu malen und im Anschluss sogar die Pinsel auszuwaschen. Der Computer verfügt dabei über ein Grundwissen zu Objekten der Welt. Seine Bilder wurden bereits in zahlreichen, international renommierten Galerien ausgestellt. Der Informatiker Simon Colton schuf ein kreatives Programm, das unter anderem anhand eines kurzen Videos die Stimmung des Modells erkennt und selbstständig mittels geeigneter Wahl von Leinwandmaterial und Farbspektrum sowie Abstraktionsgrad und Darstellungsstil darauf eingeht (siehe Abbildung: Werk aus der Serie „Amelie's Progress“ des Programms „Painting Fool“ von Simon Colton). Doch Kreativität findet nicht nur in der Malerei Ausdruck. So wurden weitere Programme entwickelt, die Witze oder Geschichten erzählen oder Jazz-Improvisationen erzeugen. Mit Blick auf maschinelle Lernverfahren zeichnet sich für diese Programme, die wir heute schon in gewissem Rahmen als „kreativ“ bezeichnen können, ein vielversprechender Weg ab. Doch kreative Menschen brauchen sich keine Sorgen zu machen. Die Computer werden uns bestimmt nicht den Pinsel aus der Hand nehmen, sondern vielmehr neue Denkanstöße und Anregungen liefern.

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