Von Tröpfchen und Turbulenz

Zwei Starting Grants des Europäischen Forschungsrates gehen in diesem Jahr an Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation.

9. Oktober 2012

Gleich zwei junge Forscher des Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation (MPIDS) haben sich erfolgreich um einen Starting Grant des Europäischen Forschungsrats  (ERC) beworben: Dr. Jean-Christophe Baret und Dr. Björn Hof erhalten in den nächsten fünf Jahren eine Förderung von jeweils knapp 1,5 Millionen Euro. Beide Wissenschaftler beschäftigen sich in ihrem Forschungsvorhaben mit einer Spielart des Flüssigen. Während Baret untersucht, wie sich winzige Tröpfchen als Mini-Reagenzgläser für biologische Reaktionen nutzen lassen, ist Hof den Geheimnissen turbulenter Strömungen auf der Spur.

Turbulente Strömungen sind in unserem Alltag allgegenwärtig, etwa wenn Wasser durch eine Leitung fließt, Tee in eine Tasse plätschert oder ein fahrendes Auto die Luft in seiner Umgebung verwirbelt. Dennoch sind die physikalischen Gesetzmäßigkeiten, die solchen Strömungen zugrunde liegen, bisher kaum verstanden. „Mich interessiert vor allem der Übergang von einer ruhigen, geordneten Strömung zur Turbulenz“, beschreibt Hof seinen Ansatz. Gelingt es, diesen Übergang zu entschlüsseln, ermöglicht dies einen ganz neuen Zugang zu dem Phänomen Turbulenz. Neben Fragen zu Strukturen und energetischen Mechanismen, die Verwirbelungen antreiben, ist ein weiteres Ziel, konkrete Methoden zu entwickeln, Turbulenzen zu beruhigen. Diese würden es ermöglichen, die Reibungsverluste in Transportprozessen wie zum Beispiel in Ölpipelines signifikant zu reduzieren.

Um deutlich kleinere Strömungen geht es in der Mikrofluidik, der sich das Forschungsprojekt von Baret zuordnen lässt: Winzige Tröpfchen fließen durch Kanäle mit Durchmessern von nur wenigen Mikrometern, lassen sich dort gezielt sortieren, verschmelzen und analysieren. Wie sich solche Tröpfchen als mikroskopische Reagenzgläser für biologische Reaktionen nutzen lassen, wollen Baret und sein Team in den nächsten fünf Jahren erforschen. Ziel ist es, biologische Zellen oder Gene kontrolliert in die Tropfen einzubringen, sie dort reagieren zu lassen und zum Schluss das Ergebnis der Reaktion auszulesen. „Da diese Reaktionen massenhaft in vielen tausend Tröpfchen ablaufen sollen, ist es unmöglich, jedes Mini-Reagenzglas einzeln zu manipulieren“, erklärt Baret. „Stattdessen wollen wir verstehen, wie sich die Tröpfchen von selbst organisieren, um dieses Verhalten gezielt für unsere Zwecke zu nutzen“, erklärt Baret.

„Die ERC Starting Grants bieten jungen Wissenschaftlern nicht nur die finanzielle Unabhängigkeit,  ambitionierte Forschungsvorhaben zu verwirklichen“, sagt Prof. Dr. Eberhard Bodenschatz, Geschäftsführender Direktor des MPIDS. Seit der Gründung des Europäischen Forschungsrates vor fünf Jahren haben sie sich zudem zu einem international anerkannten Prädikat für besonders herausragende und erfolgversprechende Projekte entwickelt. „Wir sind deshalb sehr stolz, dass der Europäische Forschungsrat gleich zwei unserer Nachwuchswissenschaftler auf diese Weise auszeichnet“, ergänzt er.

Der Europäische Forschungsrat vergibt die begehrten ERC Starting Grants in diesem Jahr zum  fünften Mal und hat nun aus 4741 Bewerbungen 536 Projekte ausgewählt. Die Wissenschaftler erhalten für bis zu fünf Jahre eine Förderung von maximal zwei Millionen Euro. Neben der Exzellenz des vorgeschlagenen Forschungsprojektes legt die Auswahlkommission besonderen Wert darauf, dass sich die jungen Forscher bereits in den ersten Jahren nach ihrer Promotion als eigenständige und anerkannte Wissenschaftler etablieren konnten. „Die Max-Planck-Forschungsgruppen der Max-Planck-Gesellschaft bieten jungen Forschern optimale Bedingungen, um dies unter Beweis zu stellen“, so Bodenschatz.

Dr. Jean-Christophe Baret leitet seit 2010 am MPIDS die Max-Planck-Forschungsgruppe „Tröpfchen, Grenzflächen und Membrane“. Dr. Björn Hof steht seit 2007 der Max-Planck-Forschungsgruppe „Komplexe Dynamik und Turbulenz“ vor.

Zur Redakteursansicht