Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation
Pionierin der Luftfahrt-Forschung
3. Juni 2024
Vor 50 Jahren ist die Mathematikerin Irmgard Flügge-Lotz gestorben. Sie zählt zu den ersten Forscherinnen in der Luftfahrttechnik und arbeitete an einer Vorgängerorganisation des heutigen Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und des Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation (MPI-DS) in Göttingen. Es gelang ihr in den 30er Jahren, die Konstruktion von Flugzeugen einfacher berechenbar zu machen.
Irmgard Lotz wurde am 16. Juli 1903 in Hameln geboren. 1929 erhält sie als einzige Frau an der Technischen Hochschule Hannover die Promotionsurkunde zur Dr. Ing. für angewandte Mathematik. Sie wollte am Traum vom Fliegen mitwirken, seit sie als Kind den Start von Zeppelinen miterlebt hat. Es gelingt ihr, 1929 als einzige Frau in der Aerodynamischen Versuchsanstalt Göttingen (AVA) eingestellt zu werden – der Wiege der Luftfahrtforschung. Dort gelang es ihr bald, den international bekannten „Vater der Luftfahrtforschung“ Ludwig Prandtl zu beeindrucken. 1931 löste sie ein wichtiges Problem der sogenannten Tragflügeltheorie von Prandtl. „Dank ihr wurde damals die Berechnung von Flugzeugflügeln wesentlich vereinfacht“, so Prof. Andreas Dillmann, Leiter des DLR-Instituts für Aerodynamik und Strömungstechnik in Göttingen.
Leiterin von Wissenschaftlern und Rechnerinnen
Fortan leitete sie eine Gruppe von Wissenschaftlern und Rechnerinnen (vor dem Computerzeitalter wurden Berechnungen zumeist von Frauen durchgeführt). „Irmgard Lotz ist damit eine der wenigen Abteilungsleiterinnen der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft“, sagt Eberhard Bodenschatz vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation, dem Nachfolger des damaligen Kaiser-Wilhelm-Instituts.
Als Prandtl Lotz 1937 als Forschungsprofessorin vorschlägt, wird der Antrag vom Reichsluftfahrtministerium abgelehnt – wohl aufgrund der nationalsozialistischen Einstellung gegenüber Frauen. 1938 heiratete Irmgard Lotz den Ingenieurwissenschaftler Wilhelm Flügge und nahm den Namen Flügge-Lotz an. Sie folgte ihrem Ehemann im selben Jahr nach Berlin zur Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL). Während ihr Mann dort Abteilungsleiter wurde, musste sie sich mit einer Anstellung als wissenschaftliche Beraterin für Aerodynamik und Dynamik des Fliegens begnügen.
Ruf an Stanford University
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs warben die Franzosen das Ehepaar nach Paris an eine Luftfahrtforschungseinrichtung ab. Dort arbeiteten sie als gleichberechtigte Gruppenleiter. 1948 erhielt Wilhelm Flügge einen Ruf an die Stanford University in den USA. Irmgard Flügge-Lotz folgte – allerdings zunächst nur im Rang einer Dozentin, obwohl sie die Aufgaben eines Professors ausfüllte. 1960 schließlich wurde sie zur Professorin für Technische Mechanik, Luft- und Raumfahrt berufen. Bis zu ihrer Emeritierung 1968 und darüber hinaus bis zu ihrem Tod am 22. Mai 1974 in Palo Alto in Kalifornien forschte Flügge-Lotz weiter.
Während Flügge-Lotz in den USA zahlreiche Ehren und Auszeichnungen erhielt, blieb sie in Deutschland fast unbekannt. Am DLR-Standort Göttingen wird demnächst nach ihr und damit erstmals nach einer Frau ein Besprechungsraum benannt.