Kann uns ein Schleimpilz zeigen wie man effizientere Pumpen baut?
Forscher des Max-Planck- Instituts für Dynamik und Selbstorganisation zeigen in einer jetzt veröffentlichten Studie wie der Schleimpilz Physarum polycephalum seine Pumpeffizienz steigern kann, wenn er schädlichem Licht ausgesetzt wird. Er nutzt dabei aus, dass seine wellenförmige Pumpbewegung Obertöne aufweist, die in einer bestimmten Konstellation effizienter pumpen können. Wie bei einem Instrument existiert bei diesen Wellen eine Grundfrequenz (Grundton) sowie mindestens eine Oberfrequenz (Oberton).
Der Schleimpilz Physarum polycephalum kann damit seiner langen Liste der bemerkenswerten Eigenschaften ein weiteres Kunststück hinzufügen. So ist er beispielsweise bereits dafür bekannt, dass er den kürzesten Weg durch ein Labyrinth findet oder eine ausgewogene Diät hält, wohlgemerkt ohne ein zentrales Nervensystem zu besitzen. Nun zeigen die MPIDS-Forscher Karen Alim, Felix Bäuerle und Stefan Karpitschka in Experimenten, dass er auch seine Pumpeffizienz spontan anpassen kann, sobald sich seine Umgebungsbedingungen ändern. Durch ein cleveres Zusammenspiel von zwei überlagerten Pumpwellen benötigt er dabei nicht einmal mehr Energie und kann trotzdem eine beträchtliche Leistungssteigerung verbuchen.
Pumpwellen in Schleimpilzen
Durch den röhrenartigen Körper des Schleimpilzes fließen Nährstoffe rhythmisch vor und zurück, wobei die Röhren selbst auch als Pumpen fungieren, indem sie sich wiederkehrend zusammenziehen. Die Wellen nutzen dabei die Peristaltik aus, also das Zusammenziehen und Ausdehnen der Röhren, ein Effekt, der auch bei uns Menschen bekannt ist und beispielsweise in der Speiseröhre oder im Darm auftritt. Jedoch tritt beim Schleimpilz eine clevere Überlagerung von zwei Wellen auf: Einer Grundwelle und einem Oberton mit der doppelten Frequenz. Die Forscher fanden heraus, dass sich unter blauem Licht, dem der Schleimpilz entweichen möchte, eine der Wellen gegen die andere verschiebt bis sie ein Optimum der Pumpleistung erreicht haben. Stehen die Wellen in der optimalen Konstellation, arbeiten sie zusammen, um die Röhre noch enger zusammenzudrücken und erreichen dadurch eine Effizienzsteigerung ohne mehr Energie in die Wellen selbst stecken zu müssen. „Natürlich stand bei uns sofort die Frage im Raum, warum pumpt Physarum nicht immer mit der höheren Effizienz?" sagt Karen Alim, Leiterin der Gruppe Biologische Physik und Morphogenese am MPIDS. „Dazu haben wir die Röhre einmal nachgerechnet und festgestellt, dass eine solche viskoelastische Röhre ohne äußeren Einfluss schon einen Oberton aufbauen würde. Nur liegt der jedoch genau entgegengesetzt zu der effizienten Lösung die der Schleimpilz aufzeigt.“. - „Erst ein bewusstes Eingreifen des Schleimpilzes ermöglicht die beobachtete Dynamik, was dafürspricht, dass Physarum seine Pumpkoordination bestens beherrscht“, meint Erstautor der Studie Felix Bäuerle.
Schleimpilz und Mensch
Die Beobachtungen könnten in Zukunft in der Medizintechnik oder in der Soft-Robotik eingesetzt werden in denen die Peristaltik heute schon zum Einsatz kommt. Für die Autoren ist es jedoch insbesondere ein verblüffendes Beispiel in dem die Natur dem Menschen voraus ist. Stefan Karpitschka sagt dazu: „In dem kleinen gelben Waldbewohner Physarum polycephalum steckt eine Menge Komplexität, die es zu beherrschen gilt: Ein viskoelastisches Zellmaterial, sich ständig ändernde Umgebungsbedingungen und kein Gehirn, um das Ganze zu koordinieren. Und trotzdem schafft er nach nur zwanzig Minuten perfekt dem Lichtkegel zu entweichen, indem er seine Pumpeffizienz mit einem raffinierten Trick anpasst und braucht dabei nicht einmal mehr Energie.