Ein Festkörper mit superfluiden Eigenschaften
Wissenschaftler am Göttinger Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation liefern den erstmaligen Nachweis für einen Leerstellen-induzierten superflüssigen Zustand im festen Helium
Forscher des Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation liefern den ersten Nachweis dafür, dass eine hohe Konzentration an Leerstellen einen superflüssigen Zustand im festen Helium erzeugen kann. Obwohl vor einigen Jahrzehnten vorhergesagt wurde, dass festes Helium beim absoluten Nullpunkt in einen superfluiden Zustand übergeht, sind alle bisherigen experimentellen Versuche die „Supersolidität“, also die Existenz dieses neuen Zustands nachzuweisen, gescheitert. Das Göttinger Ergebnis wird im Zusammenhang mit einer möglichen Bose-Einstein-Kondensation gesehen. Die Versuche basieren auf der Vorhersage des Phänomens von Galli und Reatto im Jahr 2001.
Quanteneffekte in festem Helium - viele Forscher waren diesen Effekten schon auf der Spur
Leerstelleninduzierte Supersolidität
In einer weiteren Annahme sagten Davide Galli und Luciano Reatto im Jahr 2001 vorher, dass festes Helium mit einer Leerstellen Konzentration von mehreren Prozenten, also ein Zehnfaches als im Gleichgewicht, ein superfluid-ähnliches Verhalten bei viel höheren Temperaturen von etwa einem Kelvin zeigen kann. Eine solche große Leerstellen-Konzentration konnte erst in 2003 erreicht werden. Damals entdeckte die Forschergruppe in Göttingen, in einem Strömungssystem in der das feste Helium durch eine winzige Öffnung in einen Vakuumbehälter austreten kann, unerwartet starke aber sehr regelmäßige periodische Druckstöße. Diese Stöße konnten auf das rückwärts gerichtete Wandern von Leerstellen aus dem Öffnungsbereich in die Zuleitung zurückgeführt werden.Erste Evidenz für das durch eine hohe Konzentration von Leerstellen induziertes Superfließen vom festem Helium

In den Göttinger Experimenten, die in der Ausgabe des Journals Physical Review B‘ (Vol. 93, Artikel Nr. 104505) veröffentlicht wurden, setzten die Forscher am Max-Planck-Institut einen Mikrokanal zwischen der Zuleitung und der Öffnung zum Vakuum. In der Vorrichtung werden der Druckabfall entlang des Kanals und der Fluss durch den Kanal gleichzeitig gemessen. Dadurch war es möglich, den Einfluss der Leerstellen auf die gepulste Strömung des Festkörpers zu untersuchen. Bei Drücken oberhalb von etwa 30 bar und bei Temperaturen zwischen 1,64 und 2,66 K beobachten die Forscher, dass das feste Helium mit nahezu konstanter und ungewöhnlich hoher Strömungsgeschwindigkeit von 20 cm/s fließt. Überraschenderweise ist die Geschwindigkeit unabhängig vom Druckabfall entlang der Kapillare. Eine solch hohe, konstante Strömungsgeschwindigkeit ist beispiellos in gewöhnlichen Festkörpern, die normalerweise bei hohen Konzentrationen von Defekten höchstens mit Geschwindigkeiten in der Größenordnung von 10-3 cm/s fließen. "Unsere Experimente haben gezeigt, dass festes Helium ungewöhnliche Fließeigenschaften aufweist, die kein anderer Festkörper bisher zeigte.", betont Professor Toennies. Die neuen Beobachtungen decken sich mit den Vorhersagen von Galli und Reatto sowie anderen neueren Theorien und liefern den ersten Beweis dafür, dass eine große Konzentration von Leerstellen ein Superfließen im festen Helium auslösen kann.