Dem Drehbuch von Biofilmen auf der Spur
Max-Planck- und Helmholtz-Forscherteam beobachten Alleskönner-Bakterium Shewanella O. bei der Arbeit
Normalerweise sind Silbernanopartikel für Mikroorganismen giftig, aber einige Bakterien können sie sogar erzeugen, beispielsweise das Bakterium Shewanella oneidensis MR-1. Ein Team um die Wissenschaftlerin Gal Schkolnik vom Göttinger Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation (MPIDS) und vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig sowie Niculina Musat (UFZ) und Marco G. Mazza (MPIDS) konnte erstmalig einen Biofilm, der Nanosilberpartikel produziert, zeitlich und räumlich aufgelöst untersuchen. Diesen Biofilm hat das Bakterium Shewanella oneidensis in einer flüssigen Umgebung an einer festen Silber/Silberchlorid-Oberfläche gebildet. Die durch das Bakterium erzeugten Silbernanopartikel erlauben den Einsatz der oberflächenverstärkten konfokalen Raman-Mikroskopie (SECRaM). Die verwendete Untersuchungsmethode ergänzt das wissenschaftliche Verständnis solcher elektroaktiven Biofilme, die beispielsweise Abwasser reinigen und dabei auch noch Strom erzeugen können.
Ein echter Alleskönner mit hohem technologischem Potential
Eigentlich nutzt das Bakterium Shewanella oneidesnis genauso wie die meisten Lebewesen auf der Erde Sauerstoff zum Überleben. Aber sollte kein Sauerstoff zur Verfügung stehen, ist dieses Bakterium in der Lage, andere lösliche und nichtlösliche Stoffe wie Rost, Manganoxide oder sogar Chrom- und Uranionen als Lebensgrundlage zu nutzen. In der vorliegenden Untersuchung hat das Forschungsteam gezeigt, dass Shewanella silberionenhaltige Oberflächen besiedeln kann. Das Bakterium verwandelt diese Silberionen in Silbernanopartikel innerhalb und außerhalb ihrer Zellen. Bisher war dieses nur möglich wenn lösliche Silbersalze während des Experimentes gefüttert wurden. Nun konnten die Wissenschaftler erstmalig beobachten, dass Shewanella in einer luftdicht abgeschlossenen Umgebung auf den soliden Silbersalzen einen Biofilm mit Nanosilberpartikeln bildet (siehe Abbildungen).
Biofilme als Nahtstelle zwischen Biologie, Chemie und Physik
"Biofilme bilden die Nahtstelle zwischen Biologie, Chemie und Physik. Wir sind erst am Anfang, die Zusammensetzung und Wirkungen der Biofilme zu verstehen," sagt Marco G. Mazza (MPIDS). Schließlich bilden Bakterien und Pilze die größte Gruppe des Lebens auf der Erde. Um die Biofilme zu beobachten, mussten die Forscherinnen und Forscher bisher in die Biofilme eingreifen und sie damit bei ihrer Arbeit stören. Mit Hilfe der Raman-Mikroskopie war es jetzt erstmalig möglich, das Bakterium in einem abgeschlossenen Umfeld direkt bei der Arbeit zu beobachten. So konnten die Grundlagenforscher die Entstehung des Biofilms zeitlich und räumlich genau nachvollziehen. Das bedeutet einen großen Schritt, um Biofilme grundsätzlich zu verstehen. MPIDS-Wissenschaftler Mazza gibt ein Beispiel: "Gelangt beim Einsetzen eines Herzschrittmachers versehentlich ein Bakterium in den menschlichen Körper, entsteht aus diesem einzelnen Bakterium nach geraumer Zeit ein vollständiger Biofilm, der dem Herzpatienten sehr zu schaffen machen kann. Je besser wir die Entstehung und Zusammensetzung von Biofilmen im Detail verstehen, desto mehr verstehen wir über Lebensprozesse im Ganzen. Davon können wir nicht nur in der Medizin, sondern auch im Umweltschutz sehr profitieren." Gal Schkolnik ergänzt: "Um nachhaltige Technologien mittels solcher elektroaktiver Biofilme effizienter planen und nutzen zu können, müssen wir erst mal verstehen, woraus sie bestehen und wie sie funktionieren. Mit dieser Arbeit haben wir jetzt eine Methode entwickelt, mit der wir die Zusammensetzung der Biofilme grundsätzlich besser erforschen zu können."