Älteste Sterne, denkendes Gehirn, hundertjährige Relativitätstheorie und das Higgs-Teilchen

Spitzenforscher mit spannenden Vorträgen in der 9. Wissenschaftsreihe beim Göttinger Literaturherbst 2015

29. September 2015

Wie schwer die Suche nach dem ältesten Stern ist, wie genial unser Gedächtnis sein kann, unter welchen Bedingungen Einsteins Relativitätstheorie entstanden ist oder wie schwer die Suche nach dem Higgs-Teilchen war, erfahren Besucherinnen und Besucher der Vortragsreihe „Wissenschaft beim Göttinger Literaturherbst“. Organisiert von den ortsansässigen Max-Planck-Instituten sowie der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen präsentieren acht renommierte Forscherpersönlichkeiten vom 9. bis 17. Oktober, jeweils um 19 Uhr, ihre aktuellen Bücher in der Paulinerkirche. Die Autoren geben Einblicke in unterschiedliche Wissenschaftsfelder – von den Neurowissenschaften über die Mathematik und Astrophysik bis hin zur Anthropologie. Alle Vorträge sind allgemeinverständlich gehalten und die Zuhörerinnen und Zuhörer herzlich eingeladen, mitzudiskutieren.

Den Auftakt der Reihe am Freitag, 9. Oktober, bildet der Vortrag „Die Entdeckung des Higgs-Teilchens“ von Harald Lesch. Der Astrophysiker und Naturphilosoph, Wissenschaftsjournalist und Fernsehmoderator erzählt, warum sich rund um das Higgs-Teilchen so viele skurrile Missverständnisse und mediale Sensationen ranken. Wie wurde aus dem gesuchten „gottverdammten Teilchen“ das Gottesteilchen? Wieso kann der Urknall nicht simuliert werden und warum sind Schwarze Löcher nicht unbedingt alles verschlingende Monster?

Ist das Hirn vernünftig? Die Frage stellt der renommierte Hirnforscher und Neuropsychologe Lutz Jäncke in seinem Vortrag am Sonntag, 11. Oktober. Je mehr wir über die Funktionsweise unseres Denkorgans erfahren, desto plausibler wird die Frage, wie vernünftig wir denn eigentlich wirklich sind, meint Jäncke. Er nimmt uns mit auf eine faszinierende Reise und zeigt, wie das Hirn unser Denken, Handeln und Fühlen beeinflusst – und dass dies manchmal nur am Rande mit Vernunft zu tun hat.

Auch Hanna Monyer und Martin Gessmann beschäftigen sich am Montag, 12. Oktober, mit unserem Gehirn in ihrem Vortrag „Das geniale Gedächtnis: Wie das Gehirn aus der Vergangenheit unsere Zukunft macht“. Unser Gedächtnis hat einen zweifelhaften Ruf. Es verfälscht Erinnerungen und speichert, was wir uns merken wollen, nur unvollständig. Doch die Hirnforscherin Hannah Monyer und der Philosoph Martin Gessmann zeigen, wie die neueste Forschung unser Verständnis von Gedächtnis revolutioniert.

Dass Mathematik fesselnd sein kann, beweist der österreichische Mathematiker Rudolf Taschner in seinem Vortrag „Die Mathematik des Daseins“ am Dienstag, 13. Oktober. In dieser Geschichte der Spieltheorie spannt Taschner einen Bogen von der Erfindung der Wahrscheinlichkeitsrechnung im 17. Jahrhundert bis in die Gegenwart der globalen Finanzmärkte. Schließlich ist das Leben ein Spiel, das mathematischen Regeln folgt. Unsere Entscheidungen sind berechenbar, ihr größtmöglicher Nutzen für alle kalkulierbar.

Einen historischen Abriss liefert auch der international renommierte Prähistoriker und Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Hermann Parzinger am Mittwoch, 14. Oktober. In seinem Vortrag „Kinder des Prometheus“ bietet Parzinger ein weltgeschichtliches Panorama der Frühzeit – einen Überblick von den Anfängen der Menschwerdung vor fünf Millionen Jahren bis hin zur Entstehung der frühen Hochkulturen vor wenigen Jahrtausenden.

Thomas de Padova, Physiker und Wissenschaftsjournalist, berichtet in seinem Vortrag „Allein gegen die Schwerkraft, Einstein 1914-1918“ am Donnerstag, 15. Oktober, wie Einstein in seinen frühen Berliner Jahren zum leidenschaftlichen Pazifisten wird und wie er inmitten einer kollabierenden Welt die Physik neu erfindet und damit unser Verständnis von Raum und Zeit für immer verändert.

Der Brite Colin Crouch zeigt in seinem englischsprachigen Vortrag „Die bezifferte Welt. Wie die Logik der Finanzmärkte das Wissen der Welt bedroht“ am Freitag, 16. Oktober, auf, wie stark Schulen, Krankenhäuser und Polizei den Finanzmärkten unterworfen sind und wie aus Studierenden und Fahrgästen Kunden werden, die wie Rechenmaschinen agieren. Auf dem Weg in die Informationsgesellschaft bleibt für Gesellschaftskritiker Crouch eine zentrale Ressource jedoch auf der Strecke: das Wissen.

Zum Ende der Wissenschaftsreihe wirft die Astrophysikerin Anna Frebel am Samstag, 17. Oktober, einen Blick ins All. Im Jahr 2005 entdeckte sie den metallärmsten Stern, zwei Jahre später gelang ihr erneut ein sensationeller Fund: Sie fand den ältesten, rund 13 Milliarden Jahre alten Stern. In ihrem Vortrag gibt Anna Frebel Einblicke in ihre konkrete Arbeit mit den Teleskopen in den entlegensten Gegenden der Welt und liefert einen lebensnahen und aktuellen Bericht darüber, wie Naturwissenschaft heute betrieben wird.

Science Communication-Medaille

Für seine großen Verdienste, im Fernsehen auch komplexe Themen aus der Wissenschaft erfolgreich einer großen Zahl von Zuschauerinnen und Zuschauern verständlich zu vermitteln, erhält Harald Lesch die diesjährige Science Communication-Medaille. Der Preis wird im Rahmen der Wissenschaftsreihe beim Göttinger Literaturherbst verliehen und zeichnet Persönlichkeiten aus, die sich in besonderem Maße dafür eingesetzt haben, aktuelle Forschungsergebnisse in die Öffentlichkeit zu tragen. Preisträger des letzten Jahres war der britische Physiker David McKay.

„Mit unserer in Deutschland einzigartigen Wissenschaftsreihe beim Göttinger Literaturherbst können wir zum neunten Mal bekannte Namen aus der Wissenschaft gewinnen. Sie werden in ihren Vorträgen interessante Themen allgemeinverständlich darstellen und uns damit zum Nachdenken und Diskutieren einladen“, sagt Johannes-Peter Herberhold, Geschäftsführer der Göttinger Literaturherbst GmbH. „Wir bedanken uns bei den drei beteiligten Max-Planck-Instituten und der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek für die Organisation der hochkarätigen Reihe. Darüber hinaus stellen sie die Moderatoren der Vorträge und ermöglichen so einen lebhaften und einzigartigen Gedankenaustausch zwischen den geladenen Forschern, ihren Göttinger Gastgebern und dem Publikum“, so Herberbold. 

Die Vorträge finden vom 9. bis 17. Oktober an den Veranstaltungstagen jeweils um 19 Uhr in der Paulinerkirche (Papendiek 14) statt. Der Eintritt kostet im Vorverkauf und als Online-Ticket 13 Euro, ermäßigt 11 Euro. An der Abendkasse beträgt der Kartenpreis 15 Euro, ermäßigt 13 Euro. Wer ein  Kulturticket hat, hat an der Abendkasse freien Eintritt, sollte die Veranstaltung nicht ausverkauft sein. Im Vorverkauf sind die Karten erhältlich im Festivalbüro des Göttinger Literaturherbstes (Hospitalstraße 12), im Deutschen Theater (Theaterplatz 11), im Extra Tip-Ticketshop (Prinzenstraße 10-12), beim GT-Ticketservice (Jüdenstraße 13c) und beim Ticket-Service im Alten Rathaus (Markt 9). Die Karten können darüber hinaus online unter www.reservix.de bestellt werden. Eine telefonische Kartenbuchung ist unter 0551 499-8031 möglich. (ch)

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