Niedersächsischer Wissenschaftspreis für Viola Priesemann

17. November 2021

Das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur hat der Forscherin des Göttinger Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation (MPIDS) am 17.11.2021 den renommierten niedersächsischen Wissenschaftspreis in der Kategorie „Wissenschaftler*in in einer frühen Karrierephase“ verliehen. Hiermit würdigt das Land Niedersachsen jährlich Personen, die sich sowohl durch besondere fachliche Exzellenz als auch durch ihr Engagement auszeichnen. Die Jury der Wissenschaftlichen Kommission Niedersachsen zeigte sich tief beeindruckt von den fachlichen Leistungen von Viola Priesemann im Bereich der theoretischen Neurowissenschaften, sowie von der Flexibilität, ihre Forschungsaktivitäten kurzfristig auf die Covid-19-Pandemie umzustellen.

In den vergangenen Monaten wurde Viola Priesemann insbesondere durch ihre Modellierungen im Rahmen der COVID-19-Pandemie bekannt. Die Physikerin ist jedoch bereits seit 2013 ein fester Bestandteil des Göttingen Campus und entwickelt dort mathematische Modelle zur Erforschung von Selbstorganisation und Informationsverarbeitung in komplexen und neuronalen Systemen. Zu ihren wichtigsten Forschungsergebnissen gehört eine Theorie, die zeigt, wie Nervenzellen stabile und gleichsam effektive und dynamische Netzwerke bilden, um Signale zu übertragen und Informationen zu verarbeiten. Da die mathematische Beschreibung einer solchen Vernetzung und Verbreitung von Signalen sehr ähnlich zu der Verbreitung eines Virus ist, entschloss sie sich Anfang 2020, ihre Expertise im Pandemiegeschehen einzusetzen. Seither hat sich Frau Priesemann zu einer äußerst gefragten Expertin entwickelt, die unter anderem die Bundesregierung berät und regelmäßig in der Tagespresse, Talkshows und Radiosendungen vertreten ist.

Gemeinsam für die Grundlagenforschung

„Ich fühle mich sehr geehrt durch diese Auszeichnung und freue mich, durch meine Forschung einen Beitrag zum aktuellen Wissenschaftsgeschehen leisten zu können“, freut sich Priesemann. „Unsere Arbeit ist zum einen wichtig um herauszufinden, wie lebende Neurone selbständig lernen und Information verarbeiten. Wenn wir diese Grundlagen verstehen, werden wir auch energieeffizientere künstliche neuronale Netze entwickeln und dadurch auch ein wenig die Klimakrise abmildern können“, erklärt sie. Gleichzeitig lehre uns die COVID-19 Pandemie, dass Grundlagenforschung auch eine exzellente Krisenvorbereitung ermöglicht. „Wir wissen zwar nicht, was die zukünftigen Krisen genau für Herausforderungen mit sich bringen, aber es wird sicherlich wieder Grundlagenforschung geben, die sich als extrem hilfreich in der Krisensituation herausstellt“, so Priesemann. Außerdem betont sie, dass solcherlei Forschungsarbeit auch immer eine Teamleistung ist: „Ich freue mich jeden Tag aufs Neue, mit so kreativen, intelligenten und engagierten jungen Wissenschaftler*innen zusammenarbeiten zu dürfen. "

Der Wissenschaftsstandort Göttingen fördert interdisziplinären Austausch

Ihre Forschungsgruppe „Theorie Neuronaler Systeme“ von Viola Priesemann arbeitet am Göttinger Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation und am Institut für Dynamik komplexer Systeme der Universität Göttingen; die Wissenschaftlerin ist somit eng mit dem wissenschaftlichen Geschehen am Göttingen Campus vernetzt. So ist sie unter anderem Mitglied im Exzellenzcluster „Multiscale Bioimaging: von molekularen Maschinen zu Netzwerken erregbarer Zellen (MBExC)“: Hier haben sich Forschende zusammengeschlossen, um mittels eines multiskaligen Forschungsansatzes die Zusammenhänge von Herz- und Hirnerkrankungen zu erforschen, und damit neue therapeutische und diagnostische Strategien mit gesellschaftlicher Tragweite zu entwickeln. Darüber hinaus leitet sie ein Teilprojekt im Sonderforschungsbereich „Quantitative Synaptologie“ und im Schwerpunktprogramm „Evolutionäre Optimierung neuronaler Systeme“.

Im interdisziplinären Göttinger Bernstein-Zentrum für computergestützte Neurowissenschaften trägt sie zudem durch ihre Modelle zur Erforschung des Nervensystems bei. Am Wissenschaftsstandort Göttingen engagiert sie sich in diesem Kontext in zahlreichen Lehraktivitäten an der Universität sowie in der Betreuung und Förderung junger Nachwuchswissenschaftler*innen.

Eine wichtige Stimme in der Krise

Nicht zuletzt hinaus unterhält Viola Priesemann auch zahlreiche internationale Kollaborationen mit anderen Forschungsgruppen. Im Rahmen der COVID-19-Pandemie koordinierte sie mehrere Stellungnahmen zum grenzübergreifenden Umgang mit der Pandemie, die von führenden Expert*innen fast aller europäischen Länder unterzeichnet wurde.

Als Expertin trat sie dabei selbst auch immer wieder vor die Kamera, um die Hintergründe des aktuellen Infektionsgeschehens zu belechten und die Modellierung möglicher Szenarien für die Zukunft zu präsentieren. In diesem Jahr erhielt sie dafür bereits den Communitas Preis von der Max-Planck-Gesellschaft sowie die Medaille für naturwissenschaftliche Publizistik von der Deutschen Physikalischen Gesellschaft.

“Wir am MPIDS freuen uns, dass Viola Priesemann aufgrund ihrer herausragenden Leistungen in Forschung und öffentlicher Wissenschaftskommunikation nun mit dem Wissenschaftspreis Niedersachsen 2021 ausgezeichnet wurde.“, sagt Ramin Golestanian, geschäftsführender Direktor des MPIDS. "Wir sind alle sehr stolz auf ihre Rolle als öffentliche Stimme der Vernunft in einer Zeit, in der so viel Unsicherheit herrschte“, bemerkt er abschließend.

Der Preis wurde am 17.11.2021 in Hannover durch den Wissenschaftsminister des Landes, Björn Thümler, verliehen.

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