Wolken verstehen

Göttinger Turbulenzforscher vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation an sechswöchiger Feldkampagne EUREC4A vor Barbados beteiligt

22. Januar 2020

Sie sind einer der größten Unsicherheitsfaktoren, wenn es darum geht, das Ausmaß der Erderwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts vorherzusagen: Wolken, zumindest die Kumuluswolken in niedrigen Schichten der Atmosphäre kühlen durch Abstrahlen der Wärme  die Erdoberfläche. Um besser zu verstehen, wie sich die Wolkenbedeckung mit dem Klimawandel verändert, startet jetzt ein internationales Team unter Beteiligung von neun Göttinger Wissenschaftlern vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation (MPIDS) die knapp sechswöchige Feldstudie EUREC4A (Elucidating the role of clouds-circulation coupling in climate, www.eurec4a.eu). 

Die Messkampagne findet vor der Karibikinsel Barbados statt, weil es in den Tropen besonders viele flache Kumuluswolken gibt, die das Klima stark beeinflussen. An den Messungen sind mehrere Forschungsflugzeuge und –schiffe sowie Satelliten, eine Messstation auf Barbados, ein mobiles Wetterradar und autonome Flugkörper beteiligt. Dabei untersuchen die Göttinger Forscher um Eberhard Bodenschatz, Direktor am MPIDS, die Wolken mit ihren dafür eigens gebauten Ballondrachen (Max Planck CloudKites) vom Deck der beiden deutschen Forschungsschiffe Maria S. Merian und Meteor. Damit wollen sie die Mikrophysik und die Rolle turbulenter Strömungen in der Wolkendynamik besser verstehen.

Regenereignisse besser vorhersagen können

„Wir hoffen, zukünftig besser vorhersagen zu können, wie sich eine Wolke verhält – von der Entstehung bis zum Niederschlag. Dies ist nicht nur für die Klimavorhersage sondern auch für die Wettervorhersage sehr wichtig“, betont Eberhard Bodenschatz. Dafür nehmen die CloudKites von den Schiffen aus Messungen innerhalb tiefer Wolken vor. Bis zu zwei Kilometer hoch kann er dabei in die Luft steigen. Die Max-Planck CloudKites (MPCKs)  bestehen aus einem Ballondrachen und den autonomen Messgeräten, Mit den MPCKs können die Forscher über einen längeren Zeitraum in verschiedenen Höhen Messungen durchführen. Mittels einer Messbox werden die Dynamik und Turbulenz mit einer beispiellosen Genauigkeit gemessen. „Hoffentlich kann unser Schiff so schnell fahren, wie sich die Wolken bewegen“, sagt Direktor Bodenschatz. Denn Ziel ist es, die Wolken auf Schritt und Tritt zu verfolgen und die Entwicklung einer Wolke zu verfolgen. Die MPIDS-Crew will die MPCKs so oft wie möglich steigen lassen, um so viele Daten wie möglich zu sammeln und mit nach Göttingen zu nehmen.

Aus kleinen Tröpfchen werden große

Unter anderem ist an dem MPCK auch eine hochauflösende Kamera installiert, die 75 Bilder pro Sekunde als 3D-Hologramme der Wolkentröpfchen aufnimmt. Diese Bilder helfen zu verstehen, wann und wie schnell aus kleinsten Tropfen große werden. Meteorologe Oliver Schlenczek leitet die MPIDS-Forscher auf dem Forschungsschiff Meteor: „Mit den 75-Bildern, die unser Holografie-Instrument in der Messgondel jede Sekunde macht, können wir Position und Größe der Tropfen in einem Volumen Wolkenluft messen. Das entspricht etwa dem Durchmesser eines Daumens und der Länge eines Briefumschlags. Darüber hinaus haben wir noch eine Hochgeschwindigkeitskamera, mit der wir die Geschwindigkeit der Tropfen messen können. Dazu wird das Wolkenvolumen mit einem Lichtfächer aus einem starken Laser beleuchtet. Aus der Verlagerung der Tropfen von einem Bild zum nächsten bekommen wir die Geschwindigkeit, da die Zeit zwischen den beiden Aufnahmen bekannt ist.“ Kennen die Forscher den meteorologischen Hintergrund nicht, hilft ihnen die Bewegung der Tropfen alleine nicht weiter. Um die gemessene Geschwindigkeitsverteilung der Tropfen mit der Luftströmung in der Wolke in Beziehung setzen zu können, benötigen sie zeitlich hoch aufgelöste Messungen der Windgeschwindigkeit sowie Daten von Luftdruck, Temperatur und Feuchte. Außerdem messen sie die Windgeschwindigkeit auf räumlichen Skalen von wenigen Millimetern mit Hilfe eines sehr kompakten Anemometers, welches mit Hilfe eines Hitzdrahts einige zehntausend Messungen pro Sekunde schafft. Schließlich nutzten die Max-Planck-Forscher noch ein gutes Navigationssystem, damit sie berechnen können, welche Geschwindigkeiten tatsächlich dem Wind zuzuschreiben sind und welche aus den Bewegungen des Schiffs und des Ballons resultieren.

Große Datenmengen setzen das Puzzle zusammen

Angesichts der großen Datenmengen, die bei der umfangreichen, internationalen Feldkampagne EUREC4A-Messungen anfallen, wird es jedoch ein paar Jahre dauern, ehe die Forschenden die vielen Puzzleteile zu einem umfassenden Bild zusammensetzen können. Dann können sie möglicherweise auch die Fragen beantworten, ob die kühlende Wolkendecke der Tropen mit dem Klimawandel löchrig wird, und wenn ja, wie sehr sich die Erderwärmung dadurch verstärkt.

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