Computer als Brücke zwischen Theorie und Praxis der Hirnforschung

7. September 2017

Vom 12. – 15. September 2017 kommen internationale Wissenschaftler auf dem Gebiet der Computational Neuroscience zur Bernstein Konferenz nach Göttingen. Ihre Agenda: Wie kann computerbasierte Neurowissenschaft helfen, die Komplexität des Gehirns zu verstehen?

Um Vorgänge im komplexesten System der Natur - unserem Gehirn – zu verstehen, sind Computer mittlerweile unverzichtbar. Die alljährlich in Deutschland stattfindende Bernstein Konferenz bietet europaweit eine der wichtigsten Möglichkeiten zum internationalen wissenschaftlichen Austausch auf dem Gebiet der computerbasierten Neurowissenschaften.

Ob Physik, Biologie, Chemie oder Computerwissenschaften: Über Disziplingrenzen hinaus zu denken und zu forschen, ist das große Plus der jungen Forschungsdisziplin Computational Neuroscience. Die Forscher nutzen mathematische Modelle und Computersimulationen, um die Funktionsweise des Gehirns zu untersuchen, zu entschlüsseln und dadurch zu verstehen . Dabei reichen die Themen von der Informationsverarbeitung über Wahrnehmung und Gedächtnis bis hin zu Gehirn-Computer-Schnittstellen, Neuroprothesen und Robotern.

Theoretische Neurowissenschaftler widmen sich unter anderem der Frage, wie das Gehirn Entscheidungen fällt. „Mit computerbasierten Simulationen einzelner Nervenzellen, aber auch ganzer neuronaler Netzwerke, können wir gemeinsam mit Kollegen in Medizin und Neurobiologie Brücken zu neuen Erkenntnissen bauen,“ sagt Professor Fred Wolf, Hauptorganisator der Bernstein Konferenz und Leiter des Göttinger Bernstein Zentrums. „Zukünftig können sich aus unserer Forschung Anwendungen im medizinischen Bereich ergeben, beispielsweise bei der Entwicklung intelligenter Prothesen, einer verbesserten Diagnostik neurologischer Erkrankungen aber auch in Robotik und künstlicher Intelligenz.“

Höhepunkte der diesjährigen Bernstein Konferenz sind der öffentliche Vortrag von Prof. Dr. Niels Birbaumer und die Preisverleihung des Brains for Brains Awards des Bernstein Netzwerks.

Am 13. September hält Professor Birbaumer, ein Pionier der Nutzung sogenannter Gehirn-Computer-Schnittstellen, einen spannenden, allgemeinverständlichen Vortrag mit dem Titel "Gehirn-Maschine-Verbindungen: Wem nutzen sie?". Birbaumer wird dabei seine jüngsten Fortschritte bei der Überwindung des Locked-in-Syndroms erklären. Menschen mit Locked-in-Syndrom sind zwar bei Bewusstsein, jedoch körperlich fast vollständig gelähmt und unfähig, sich sprachlich oder durch Bewegungen verständlich zu machen. Hier können Gehirn-Maschine Schnittstellen entscheidend helfen. Der Vortrag ist kostenfrei.

Der diesjährige Brains for Brains Award der Computational Neuroscience wird am 15. September an die Nachwuchswissenschaftlerin Elise Rowe aus Melbourne, Australien, verliehen. Rowe beschäftigt sich mit komplexer Datenanalyse, beispielsweise der Auswertung von EEG Signalen bei schizophrenen Patienten.

Ein besonderes Vorprogramm zur Konferenz ist in diesem Jahr das Cinema Bernstein. Benjamin Heisenberg, Künstler, Autor und Filmemacher wird seinen preisgekrönten Film Schläfer/ Sleeper vorstellen. Heisenberg, Enkel des gleichnamigen Physik-Nobelpreisträgers, entfaltet in seinem Film vor dem Hintergrund einer durch die Anschläge des 11. September 2001 erschütterten Gesellschaft ein Drama um Liebe, Konkurrenz und Verrat in der Wissenschaft. Vielfach ausgezeichnet als bester Film, erhielt Schläfer unter anderem 2005 den Midas Preis EuroPAWS, als bestes Filmkunstwerk, das im Bereich von Wissenschaft und Technik spielt.

Die Bernstein Konferenz

Die Bernstein Konferenz 2017 wird dieses Jahr vom Bernstein Zentrum Göttingen ausgerichtet, einem von sechs Bernstein Zentren in Deutschland. Die Bernstein Konferenz ist die Jahrestagung des Bernstein Netzwerks Computational Neuroscience und mittlerweile die größte jährlich stattfindende Konferenz auf diesem Gebiet in Europa.

Bernstein Netzwerk Computational Neuroscience

Das Bernstein Netzwerk ist ein Forschungsnetzwerk im Bereich der computergestützten Neurowissenschaft. Dieses Feld verbindet experimentelle Ansätze der Neurobiologie mit theoretischen Modellen und Computersimulation. Das Netzwerk wurde 2004 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ins Leben gerufen. Mit dieser Förderinitiative hat das BMBF bis heute die Forschungsdisziplin der Computational Neuroscience mit einem Gesamtvolumen von mehr als 180 Millionen Euro unterstützt. Nach mehr als 10 Jahren Förderung versammeln sich im Bernstein Netzwerk mehr als 200 Forschungsgruppen. Es ist nach dem deutschen Forscher Julius Bernstein (1839-1917) benannt, der die erste biophysikalische Erklärung für die Ausbreitung von Nervensignalen lieferte.

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