Aufgepasst!

Flexible Auswahl aus dem Überfluss der Eindrücke

26. Juli 2017

Sind wir aufmerksam, können wir uns auf das konzentrieren, was im Moment wichtig ist. Aber aus dem Überfluss an Informationen in unserem täglichen Leben ist nur ein Bruchteil für das relevant, was wir gerade tun. Warum sollten wir alles verarbeiten? Unser Gehirn schafft es, unter Auslassung unerwünschter Details selektiv auszuwählen, welche Informationen wichtig sind. Wie kann dieser Vorgang im Bruchteil einer Sekunde möglich sein, die es dauert, den Fokus der Aufmerksamkeit zu verlagern? Wie läuft es ab, wenn verschiedene Bereiche des Gehirns auswählen, welchen anderen Hirnbereichen sie Aufmerksamkeit schenken? Denn eigentlich ist das Gehirn ein dicht verknüpftes Netzwerk von Neuronen, die ihre Verbindungen nicht so oft und nicht so schnell verändern können. Die Max Planck Forscherin Dr. Agostina Palmigiano, zusammen mit einem internationalen Team unter Leitung von Prof. Dr. Fred Wolf, Direktor des Bernstein Zentrums für Computational Neuroscience und Leiter der Forschungsgruppe Theoretische Neurophysik am Göttinger Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation und Dr. Demian Battaglia an der Universität Aix-Marseille, Frankreich, haben einen besonders flexiblen Mechanismus aufgedeckt, die Informationspfade in wenigen Hundert Millisekunden neu zu verknüpfen.

In Schwingung versetzt

Neuronen im Gehirn arbeiten in kleinen Populationen von einigen Tausenden von Zellen zusammen, die gemeinsam eingehende Informationen verarbeiten. Sind  die Aktivitäten der Neuronen koordiniert, beobachtet man oft Schwingungen ihrer Signalbearbeitung. Diese Schwingungen sind allerdings recht unregelmäßig und häufig unterbrochen. Ihre Rolle in der Kommunikation mit anderen, entfernten Hirnbereiche ist bisher nicht verstanden. Aktivitätsschwingungen können potenziell als zeitliche Struktur wirken, die die Übermittlung von Informationen zwischen entfernten Teilen des Gehirns steuert. So wie bei der elektronischen Datenübertagung können verschiedene Gehirnbereiche nicht miteinander kommunizieren, wenn Sender und Empfänger nicht auf der gleichen Wellenlänge sind.  Agostina Palmigiano und ihre Kollegen fanden nun heraus, dass weit voneinander entfernte Hirnbereiche auch kurze Schwingungsstöße spontan koordinieren können, wenn sie mit starken Verbindungen verknüpft sind, und dies auch, wenn Sie nur kurz zusammenwirken.

Flexible Informationsübertragung

Die Koordination der Schwingungsstöße dirigiert dabei, wie Informationen zwischen den Gehirnbereichen fließen. Abhängig davon, wie sich die vorübergehenden Schwingungen der verschiedenen Hirngebiete organisieren, können Informationen nämlich  nur über bestimmte Wege fließen. Ein Beispiel mit drei miteinander verbundenen Gehirnbereichen kann das veranschaulichen. Ein Zielbereich kann relevante Informationen aus einem Eingabebereich erhalten gleichzeitig und irrelevante Informationen von einem anderen. Wie kann er dem Einem folgen und den Anderen ignorieren? Palmigiano et al. stellten fest, dass vorübergehende neuronale Schwingungsstöße in jedem Bereich eine flexible zeitliche Struktur zur Verfügung stellen, die einen unidirektionale Informationstransfer zwischen den Bereichen bewirkt. Bereiche, deren Oszillation zeitlich denen anderer vorausläuft, fungiert automatisch als Absender, während diejenigen, deren Oszillation mit einer zeitlichen Verschiebung nachläuft, optimale Empfänger sind.  Sender und Empfänger können so innerhalb von wenigen Hundert Millisekunden wechseln.

Achtung: Steuerung der Informationsübertragung

Wie kann die „Aufmerksamkeit“ nun auswählen, wem letztendlich zuhört wird? Palmigiano und Kollegen fanden, dass die Verstärkung eines unspezifischen Hintergrundsignals in einem der zusammenwirkenden Bereiche ausreicht, um diesen dadurch zum Sender zu machen. Irgendwo im Gehirn entscheidet sich, worauf wir achten sollten. Die neuen Ergebnisse legen deshalb nahe, dass sobald dies geschieht, solche unspezifischen Signale an die Hirnbereiche verschickt werden, die gerade die relevantesten Nachrichten weitergeben können. Andere haben dadurch automatisch nur eine geringere  Chance Gehör zu finden. Erste Hinweise für diese Art von Mechanismus, externe Eingangssignale zu leiten, wurde experimentell bereits gefunden.

„Unsere  Ergebnisse zeigen einen Mechanismus für ein selbstorganisiertes und dadurch besonders flexibles Weiterleiten von Information, das nicht allein von der fixen „Verdrahtung“ verschiedener Gehirnbereiche abhängt, sondern von ihrem dynamischen Zusammenspiel.“, betont einer der Leiter der Studie, Prof. Fred Wolf. 

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