Besser koordinieren durch weniger Einfluss

Theoretische Physiker vom Max Planck Institut für Dynamik und Selbstorganisation untersuchen die optimale Synchronisation komplexer Systeme

29. Juli 2015

Ob Menschen, Glühwürmchen oder Kraftwerke: Synchronisation tritt in vielen sozialen, biologischen und technischen Systemen auf und spielt dort eine große Rolle. Wollen Menschen einen Kompromiss finden, erfordert das ein "Synchronisieren" verschiedener Meinungen. Genauso koordinieren Glühwürmchen ihr Leuchten. Auch müssen Generatoren in Stromnetzen für den stabilen Betrieb dieser synchron laufen. In vielen komplexen Systemen kann es allerdings schwierig sein, die einzelnen Einheiten zu synchronisieren. Um dieses Problem zu beheben,  haben jetzt  Grundlagenforscher des Göttinger Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation gemeinsam mit Forschern aus Indien eine neue Methode erdacht, entwickelt und getestet. Anstatt die einzelnen Einheiten dauerhaft zu koppeln, erlaubt die neue Göttinger Methode Interaktion nur zeitweise. Dadurch lassen sich zumindest in Simulationen viele Systeme besser synchronisieren.

Synchronisation erfordert Interaktion

Zur Abstimmung  verschiedener Einheiten, seien es einzelne Menschen, Glühwürmchen oder Generatoren, ist offensichtlich Interaktion nötig. Intuitiv würde man annehmen, dass mehr Interaktion die Synchronisation, also den zeitlich aufeinander abgestimmte Ablauf von Prozessen, erleichtert. Oftmals ist dies auch der Fall. Allerdings können stärkere Wechselwirkungen in einigen chaotischen dynamischen Systemen dazu führen, dass Synchronisation nicht mehr möglich ist. In vielen experimentellen und technischen Systemen kann die Kopplungsstärke allerdings nicht beliebig verändert werden. Daher stellt sich die Frage, wie man solche Systeme dennoch stabil synchronisieren kann.

Bessere Synchronisation durch weniger Interaktion

In vielen Fällen ist der der Effekt der Wechselwirkung abhängig vom Zustand des Systems. Diese Tatsache brachte die Forscher auf die Idee, die Interaktion einzuschränken. "Anstatt die einzelnen Einheiten dauerhaft zu koppeln, lassen wir Interaktion nur zeitweise zu", erklärt Professor Dr. Marc Timme, Leiter der Forschungsgruppe Netzwerk Dynamik. „Bildlich gesprochen: Glühwürmchen würden ihren Rhythmus nicht dauerhaft anpassen, sondern nur in dem Moment, in dem sie das Blinken eines anderen Glühwürmchens beobachten.“

Synchronisation häufiger möglich

Um den Effekt dieses Entkoppelns genau zu beschreiben, untersuchten die Göttinger Forscher die neue Methode in verschiedenen Systemen mit Hilfe numerischer Simulationen. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass Synchronisation dadurch stabiler sein kann und deshalb in vielen Systemen häufiger möglich ist", unterstreicht  Malte Schröder, Promotionsstudent bei Marc Timme. Insbesondere können durch die Göttinger Methode viele Systeme für beliebig starke Wechselwirkungen synchronisiert werden, auch wenn das mit normaler, zeitlich durchgehender Kopplung nicht der Fall ist. Anhand dieser Erkenntnisse ist es also theoretisch möglich, bestimmte Systeme besser und stabiler zu synchronisieren. Die Forscher denken dabei an selbst organisierte Kommunikationsnetzwerke, kabellose Sensornetzwerke oder möglicherweise auch künstlich erzeugte biologische Systeme wie gekoppelte Herzzellen.

Die Ergebnisse der Göttinger Max-Planck-Forscher sind in der Zeitschrift „Physical Review Letters“ veröffentlicht.
Link zum Artikel: Physical Review Letters 115 (2015) 054101

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