Warum gibt es in der Natur so viele Sechsecke?

Bei der Antwort dieser Frage müssen viele Aspekte berücksichtigt werden, aber die Erklärung stützt sich im Wesentlichen auf geometrischen Überlegungen.

Netze aus identischen, gleichmäßigen Sechsecken ergeben sich aus dem Konzept der dichtesten Packung. Stellen sie sich die folgende Aufgabe vor: Sie haben eine Anzahl runder Scheiben mit gleicher Größe. Wie ordnen Sie diese auf einem Tisch an, so dass sie eine möglichst kleine Fläche benötigen? Sie können sowohl experimentell herausfinden als auch mathematisch beweisen, dass ein sechseckiges Muster, bei der jede Scheibe sechs andere Scheiben berührt, die Anordnung mit dem geringsten Platzbedarf ist. Beim Bau von Bienenwaben zum Beispiel sammeln sich die Arbeiterbienen (innerhalb eines Volkes haben sie annähernd die gleiche Größe) und fangen an, jeweils eine zylindrische Zelle mit einem runden Querschnitt zu bauen. Nur während des letzten Abschnitts des Baus, wenn die Bienen die Wände zusammendrücken, um sie dünner und stabiler zu machen, werden sie sechseckig. Bemerkenswerterweise beschrieb bereits Charles Darwin die Bienenwaben als „perfekte Geometrie“ und konnte sie mit seiner Evolutionstheorie als ideal in Bezug auf Material- und Energieverbrauch erklären.

Die dichteste Packung von Bällen im Raum wird übrigens ebenfalls erreicht, indem die Bälle in Lagen mit sechseckiger Struktur angeordnet und diese Lagen anschließend gestapelt werden. Solche Strukturen kommen in der Natur häufig als Kristallstruktur von Metallen vor. Jedoch erfordert es hier hochentwickelter Messinstrumente, um diese regelmäßigen Sechsecke sichtbar zu machen.

Doch es gibt noch andere Beobachtungen. Muster, die meistens (jedoch nicht immer) aus unregelmäßigen Sechsecken mit ähnlicher Größe bestehen, erscheinen als Bruchlinien in getrocknetem Schlamm oder in abgekühlten Lava-Formationen als berühmte Touristen-Attraktionen Giant’s Causeway in Nordirland oder Devil’s Postpile in Kalifornien. Die Gründe für die sechseckigen Anordnungen sind wieder geometrisch bedingt, jedoch von anderer Natur.

Vom Mathematiker Leonhard Euler wurde im 18. Jahrhundert bewiesen, dass bei einem eckigen geometrischen Körper die Anzahl der Kanten (Bruchlinien) plus 2 gleich der Summe der Ecken und der von Kanten eingeschlossenen Flächen ist, wobei noch eine große Fläche hinzugezählt werden muss, um die Formation „auf der Rückseite“ zu schließen. Ein fünfzackiger Stern zum Beispiel hat 7 Flächen (5 Dreiecke, ein Fünfeck in der Mitte und eine große Fläche zum Abdecken der Rückseite, die natürlich ebenfalls sternförmig ist), 10 Ecken und 15 Kanten (15 + 2 = 10 + 7).

Bemerkenswert ist ebenfalls, dass beim Trocknen von Schlamm eine entstehende Bruchlinie, die auf eine zweite Bruchlinie trifft, sich nicht auf deren andere Seite ausbreitet. Die Kräfte in einem solchen Bruch können zwar zu einer Verbreiterung der zweiten Bruchlinie führen, jedoch besteht keine physikalische oder mechanische Verbindung zur gegenüberliegenden Seite. Ecken, an denen mehr als drei Bruchlinien zusammenkommen, sind daher sehr selten.

Werden diese Dinge berücksichtigt und nimmt man eine große Anzahl Oberflächen an, kann man beweisen, dass eine durchschnittliche Oberfläche sechs Ecken hat und dass dadurch Sechsecke wirklich den bedeutendsten Anteil der Oberflächen ausmachen.

Einzelne regelmäßige Sechsecke, die nicht Bestandteil eines Gitters sind, werden ebenfalls in der Natur beobachtet, z.B. in Kristallen wie Quarz oder auch in Schneeflocken (also in Kristallen aus Eis). Sie alle haben gemeinsam, dass sie ein Kristallgitter besitzen, das aus sechseckigen Prismen zusammengesetzt ist (dies ist jedoch kein Gitter mit dichtester Packung). Diese Gitter setzen sich derart zusammen, dass der niedrigste Energiezustand der Moleküle und Atome, die den Kristall bilden, unter Berücksichtigung der chemischen Verbindungen erreicht wird.

Sechseckige Formen und Muster werden also wirklich in einer Vielzahl natürlicher Phänomene beobachtet. Dafür gibt es einen gemeinsamen Grund: Alle Beispiele, die wir betrachtet haben, sind im Wesentlichen 2-dimensional, also Oberflächen oder Schichten. Es ist also die Geometrie einer Ebene, die Sechsecke allgegenwärtig macht.

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