Haben Wale eine Sprache?

Ob winziges Insekt oder riesiger Wal: Viele Tiere verständigen sich mit Hilfe von akustischen Signalen. Viele ihrer Laute dienen dazu, Weibchen anzuziehen; das gilt zum Beispiel für viele Vogelarten in Deutschland. Mithilfe von allerlei Lautäußerungen können Tiere beispielsweise auch vor Gefahr warnen, um Hilfe rufen oder die Gegenwart eines Beutetiers signalisieren.

Meeressäugetiere, insbesondere Wale (zu denen auch Delfine zählen), verwenden Laute auf noch komplexere Art und Weise. Akustische Signale sind für sie besonders wichtig, weil die Sichtweite unter Wasser begrenzt ist, während Schall sich dort deutlich weiter und schneller ausbreitet als in der Luft. Delfine können zum Beispiel verschiedene Objekte orten und voneinander unterscheiden, indem sie ihr Echolot einsetzen: Sie senden kurze Klicklaute aus, ähnlich wie die Klicks von Fledermäusen, und lauschen dem Echo, das von Objekten in ihrer Umgebung zurückgeworfen wird. Dieses Prinzip verwenden auch Sonargeräte von Schiffen, um beispielsweise Fischschwärme oder auch U-Boote aufzuspüren.

Die größte Delfinart ist die der Schwertwale, auch Orcas genannt. Sie bleiben meist ihr ganzes Leben lang bei ihrer Familie. Verschiedene Orca-Gruppen kann man an ihren typischen Lauten unterscheiden; das erinnert an verschiedene Dialekte bei menschlichen Sprachen. Ihre Lautäußerungen sind nicht genetisch festgelegt (wie bei einigen Vogelarten), sondern jeder Schwertwal lernt sie früh in seiner Jugend. Einmal wurde beobachtet, dass ein Orca wie ein Seelöwe bellte, nachdem er von seinem Clan ausgestoßen wurde und bei Seelöwen lebte.

Forscher haben auch verfolgt, wie sich die Lautäußerungen von Orcas mit der Zeit verändern, ohne erkennbaren Grund. Ähnliches geschieht auch mit menschlichen Sprachen – deshalb klingt die deutsche Sprache heute anders als vor hundert Jahren. 

Auch die Lautäußerungen anderer Meeressäugetiere haben erstaunliche Eigenschaften. Manche Delfinarten entwickeln in ihren ersten Lebensmonaten unterschiedliche Pfeiflaute, die sogenannten Signaturlaute. Die Tiere verwenden diese, um sich bei Begegnungen gegenseitig zu identifizieren – das ist die gleiche Funktion, die auch menschliche Namen haben.

Von den faszinierenden Gesängen der Buckelwale haben wohl schon viele Leser gehört. Sie singen manchmal über 24 Stunden lang ununterbrochen. Alle männlichen Buckelwale, die sich in einem Ozean auf der Nord- oder Südhalbkugel befinden, singen während der Paarungszeit alle dieselbe Melodie – obwohl sie Einzelgänger sind. Die Melodie ändert sich von Jahr zu Jahr.

Ob Wale eine Sprache wie die der Menschen haben, weiß noch niemand. Das ist eine schwierige Frage, die Forscher heute weiterhin inspiriert. Vielleicht machen Tiere gerne Musik – wie Menschen auch; schließlich braucht man Musik nicht genau verstehen, um sie zu lieben, spekuliert David Rothenberg in seinem Buch „Thousand Mile Song“, in dem er sich mit Walgesängen beschäftigt.  

Wie auch immer die Antwort auf die ursprüngliche Frage lauten mag: Immer mehr Studien zeigen, wie ähnlich wir Menschen anderen Tieren sind. Nehmen wir das als Anreiz, nicht noch mehr Tierarten auszurotten, bevor wir überhaupt erkennen können, wie faszinierend sie sind!

Zur Redakteursansicht