Frage:

Wie entsteht ein Gewitter?

Antwort:

Pechschwarze Wolken, heftiger Regen, zuckende Blitze und Donnergrollen – Gewitter wecken seit Menschengedenken Gefühle der Faszination und der Bedrohung zugleich. Wer einmal einen vom Blitz gespaltenen Baum gesehen hat oder einen kleinen Bach, der nach einer Regennacht zum reißenden Strom angeschwollen ist, der versteht, dass sich die Menschen in früheren Zeiten die Naturgewalten nur mit dem Zorn der allmächtigen Götter erklären konnten.

Heute wissen wir mehr darüber, wie ein Gewitter entsteht, auch wenn viele Einzelheiten noch im Dunkeln liegen. Jedes Gewitter hat seinen Ursprung in einer so genannten Cumulonimbus-Wolke (von den lateinischen Worten cumulus = Anhäufung und nimbus = Regenwolke). Diese riesigen Gewitterwolken ragen wie Türme in den Himmel und verbreitern sich am oberen Rand oft noch zu einer typischen Amboss-Form. Wie alle Wolken bestehen sie aus Wassertröpfchen und Eisklumpen, die sich mit der Luft vermischen. Diese speziellen Wolken haben jedoch zwei Besonderheiten: Zum einen die große Höhe, in die sie sich erstrecken. Mit bis zu 16 Kilometern über dem Boden stoßen sie fast schon in die Stratosphäre vor, jener Schicht der Erdatmosphäre, in der es normalerweise gar keine Wolken mehr gibt. Zum anderen sind die Cumulonimbus-Wolken größer und enthalten mehr Wasser als alle anderen Wolkenarten, bis zu 50 Millionen Tonnen – das entspricht der Wassermenge im Bodensee!

Wie kommt es aber, dass solch gewaltigen Wassermengen entgegen der Schwerkraft in derartige Höhen gelangen können? Zunächst einmal muss dazu die Luft in der Nähe des Erdbodens ausreichend feucht sein, also Wasserdampf enthalten, der durch Verdunstung aus Wasserquellen am Boden entstanden ist. Um dieses Wasser nun in die Höhe zu bringen, bedient sich die feuchte Luft desselben Prinzips wie ein Heißluftballon: Auch der Ballon kann mit seiner Fracht nur dann vom Boden abheben, wenn die Luft in der Ballonhülle wärmer ist als in der Umgebung. Ist also die Luft am Boden wärmer als die in höheren Schichten, so beginnt sie aufzusteigen – es entsteht ein so genannter Aufwind, der den Wasserdampf mit nach oben zieht. Das ist der Grund, warum sich Gewitterwolken am häufigsten an warmen und schwülen Sommertagen bilden. Allerdings gibt es in diesem Fall natürlich keinen Gasbrenner, der die Luft immer wieder nachheizt. Die Luft wird daher zunehmend kälter, je höher sie aufsteigt.

Entscheidend für die Bildung einer Gewitterwolke ist nun, wie die Luft in der Atmosphäre geschichtet ist: Wird die Umgebungsluft mit zunehmender Höhe sehr schnell kälter (mindestens 0,6 Grad pro 100 Meter Höhe), dann ist die aufsteigende, wassertragende Luft trotz ihrer Abkühlung stets wärmer als ihre Umgebung und steigt weiter auf. Statt abzuflauen, werden die Aufwinde immer noch stärker und erreichen Windgeschwindigkeiten von bis zu 150 km/h. Erst an der Grenze zur Stratosphäre ist damit Schluss, da die Temperatur ab hier nicht mehr mit der Höhe abnimmt. Die feuchte Luft kann so nicht weiter aufsteigen und weicht daher in die Breite aus. So entsteht die sichtbare Verbreiterung der Wolke am oberen Rand.

Durch die Abkühlung während ihres Aufstiegs beginnt die feuchte Luft zu kondensieren, aus dem Wasserdampf werden erst feine Wassertröpfchen und schließlich feine Eiskristalle, die mit zunehmender Höhe immer weiter wachsen. Am oberen Rand einer Gewitterwolke herrschen Temperaturen von -50 Grad, so dass praktisch alles Wasser zu großen Eisklumpen gefroren ist. Trotz der starken Aufwinde werden diese Brocken irgendwann so schwer, dass sie nicht mehr in der Luft gehalten werden können. Die riesigen Wassermassen beginnen wieder auf die Erde zu fallen – so entstehen die schweren Regenschauer, die für ein Gewitter typisch sind. Sind die Eisklumpen groß genug, schmelzen sie auf ihrem Weg zu Erde nicht vollständig, sondern können selbst im Sommer als Hagelkörner niederprasseln.

Das Eis in der Gewitterwolke spielt auch eine wichtige Rolle bei einem der eindrucksvollsten Gewitterphänomene – dem Blitz. In tieferen Luftschichten sind die Eisteilchen noch kleiner und leichter, so dass sie noch von den Aufwinden getragen werden. Fallen aber gleichzeitig schon die großen Brocken aus den oberen Schichten herab, so stoßen sie mit großer Wucht auf die kleinen Teilchen. Dabei werden die beiden entgegengesetzt aufgeladen und voneinander getrennt: Die negativ geladenen Brocken fallen nach unten, während die positiv geladenen Eisteilchen weiter nach oben getrieben werden. Wird das Ungleichgewicht zwischen positiven und negativen Ladungen zu groß, gleicht sie sich durch eine mächtige Entladung wieder aus, die wir als Blitz sehen.

Gerade bei der Entstehung von Blitzen sind aber noch viele Fragen offen, etwa wie genau die Entladung zwischen Wolke und Erdboden vor sich geht. Und auch bei der Vorhersage von Gewittern sind den Meteorologen durch die komplexen Vorgänge in der Atmosphäre enge Grenzen gesetzt. Das Gewitter bleibt eine unberechenbare und rätselhafte Naturgewalt, die trotz aller Forschung wenig von ihrer Faszination eingebüßt hat.

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